2024-12-19T11:15:55.908Z

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Die Regensburger Continental Arena hat es ins Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler geschafft. Foto: altrofoto.de
Die Regensburger Continental Arena hat es ins Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler geschafft. Foto: altrofoto.de

Arena: Schwarzbuch empört Regensburg

Der Bund der Steuerzahler prangert die Continental Arena im Schwarzbuch an +++ Stadt und Funktionäre verteidigen den Stadionbau

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Die Aufnahme der Regensburger Contiental Arena in das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler sorgt für Wirbel in Regensburg. Der Verein wirft der Stadt Regensburg vor, für den Bau des neuen Jahn-Stadions massiv Steuergelder verprasst zu haben. „Das neue Regensburger Fußballstadion ist ein millionenteures Prestigeprojekt zu Lasten der Steuerzahler“, heißt es in dem neuen Schwarzbuch, das am Mittwoch vorgestellt wurde. Bei den Steuersünden in Bezug auf Großbauten sei die Continental Arena oben mit dabei, sagt Maria Ritch vom Bund der Steuerzahler Bayern. „Wir finden, dass das mit der Erfüllung einer öffentlichen Pflichtaufgabe überhaupt nichts mehr zu tun hat. Wo käme man da hin, wenn jeder Viertligist sich von seiner Kommune ein solches Stadion errichten ließe?“

Politiker und Funktionäre in Regensburg reagieren auf die Verschwendungsrüge aus Berlin mit Unverständnis und scharfer Kritik. „Der Steuerzahlerbund ist eine Organisation, die niemand braucht, die völlig für die Katz’ ist“, sagt Oberbürgermeister Joachim Wolbergs. Er kritisiert den Verein als eine „selbstgebastelte Konstruktion von gut bezahlten Funktionären, die weder von Kommunalpolitik noch von Fußball etwas verstehen und sich immer erst dann einmischen, wenn etwas fertig ist.“

Warum melde sich der Steuerzahlerbund nie, wenn etwas noch in Planung und veränderbar ist, fragt sich Wolbergs. „Die müssen jedes Jahr ihr Schwarzbuch vollkriegen und das tun sie mit Blödsinn“, wettert der OB, der als einzigen Kritikpunkt die mangelnde Funktionalität des Stadions als Ort für Konzerte sieht: ein Mangel, dem nun mit schnellen und „hemdsärmeligen“ Lösungen abgeholfen werden soll.

Die Regensburger CSU hält die Vorwürfe des Bunds der Steuerzahler ebenfalls „für völlig ungerechtfertigt und überzogen“. „Es wurden hier keine Steuergelder verprasst oder verschwendet. Die Gelder wurden für den Bau der Continental Arena sinnvoll angelegt“, sagt Herrmann Vanino, Fraktionsvorsitzender der CSU Regensburg.

Auch die Bundestagsabgeordnete Astrid Freudenstein äußerte sich zur Kritik des Steuerzahlerbundes: „Von mir wird man nie gehört haben, dass sich diese Investition jemals rentiert. Die Stadt Regensburg leistet sich das Stadion, weil sie es sich auf absehbare Zeit leisten kann. In dieser glücklichen Situation sind nur wenige Städte in Deutschland. Das Geld hat die Stadt übrigens unter CSU-Regierung erwirtschaftet.“

Dagegen sieht sich die Regensburger ÖDP mit der Veröffentlichung des Bunds der Steuerzahler in ihrer ursprünglichen Kritik bestätigt. „Das Stadion ist ein Rolls-Royce unter den Stadien. Ein VW hätte es auch getan“, sagt ÖDP-Stadtrat Joachim Graf. Das Stadion sei eine massive Verschwendung von Steuergeldern. „Leider ist das Geld jetzt natürlich schon weg.“

Eine Meinung, die Sportfunktionäre nicht teilen. Der Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes, Rainer Koch, verteidigt das neue Stadion. „Zum Zeitpunkt des Baubeschlusses spielte der SSV Jahn Regensburg in der 2. Bundesliga, die Stadt Regensburg ist das Zentrum Ostbayerns, der Jahn seit Jahrzehnten ein bedeutender Standortrepräsentant. Das in jeder Hinsicht nicht mehr zeitgemäße, veraltete und marode Stadion stand seit vielen Jahren sowohl den städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten im Zentrum Regensburgs wie auch der sportlichen und wirtschaftlichen Stabilität des Vereins im Weg.“

Der Beschluss zum Bau eines neuen Stadions sei seit Jahren überfällig gewesen. Die Continental Arena erfülle „ohne irgendeinen übertriebenen Luxus“ alle Ansprüche, die die Stadt an ein modernes Stadion, das auf ganz Ostbayern ausstrahlen soll, stellen musste. Koch verteidigt das Stadion: „Der zwischenzeitliche zweimalige Abstieg des Jahn bis in die Regionalliga war unvorhersehbar, ist sportlich extrem misslich, aber sicher kein langfristiger Zustand und deshalb auch kein Maßstab in der Bewertung des Stadionbaus.“ Perspektivisch stellten Regensburg und der Jahn ein regionales Zentrum mit deutschlandweiter Bedeutung dar. „Es ist deshalb richtig und weitsichtig, dass die Stadt Regensburg ein für die Zweite und Dritte Bundesliga geeignetes Stadion errichtet hat, zumal der Jahn selbst jetzt in der Regionalliga Bayern auf eine der Dritten Bundesliga entsprechende Zuschauerresonanz verweisen kann.“

Auch beim SSV Jahn Regensburg zeigt man sich irritiert von der harschen Kritik. Es sei irrational, eine Immobilie mit einem Nutzungshorizont von 40 bis 50 Jahren auf Grundlage einer (sportlichen) Momentaufnahme zu bewerten, schreiben die Verantwortlichen des SSV Jahn. Wenn man dies dennoch tue, müsse man die Kritik zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung äußern. Außerdem verweist der Jahn auf die erfolgreiche Nutzung des Veranstaltungsbereichs der Continental Arena abseits des Spieltages: „Zahlreiche Unternehmen aus Regensburg und Umland haben die Arena bereits für Tagungen, Seminare und sonstige Events genutzt.“

Der Unfallchirurg und Sportmediziner Professor Dr. Michael Nerlich, der zusammen mit Professor Dr. Peter Angele das „Fifa Medical Centre of Excellence“ leitet, das im Stadion Büro- und Funktionsräume angemietet hat, kann die Kritik ebenfalls nicht verstehen „Die Arena ist ja nicht nur einfach ein Stadion zur Belustigung, sie bietet auch einen Mehrwert“, sagt er. Im Medical Centre werden sowohl Profi- als auch Amateursportler behandelt. Der Schwerpunkt der medizinischen Versorgung liegt auf Verletzungen, die fußballtypisch sind. Weltweit gibt es mittlerweile mehr als 20 dieser Zentren, das Regensburger war im Jahr 2009 das erste auf deutschem Boden, das vom Fußball-Weltverband in diesen Rang erhoben wurde. Nerlich freut sich, dass das Centre nun seit einigen Monaten in der Continental Arena „endlich eine Heimat“ gefunden hat. „Für uns sind die Räumlichkeiten, sowohl innen als auch außen ideal, um unser Return-to-play-Concept umzusetzen“, sagt er. In der Arena gäbe es Möglichkeiten, die weder der Uni-Campus noch die Uni-Klinik böten.

Nerlich verweist außerdem auf einen seiner Ansicht nach nicht ganz unwesentlichen Aspekt: Das Centre arbeite auch mit der Verwaltungsberufsgenossenschaft zusammen. Die VBG ist der größte Träger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland und versichert unter anderem auch Sportvereine und deren Mitglieder – quasi die Kundschaft des Centres. „Die VBG würde uns wohl nicht unterstützen, wenn die Bedingungen nicht so gut wären“, sagt Nerlich. Dass auch der Bayerische Fußball-Verband zu den Mietern zähle, käme den Synergieeffekten nochmals entgegen. Für Nerlich ist klar: „Regensburg verschleudert keine Mittel, sondern stellt Mittel bereit.“

Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, ging bei einer Pressekonferenz in Berlin näher auf die Ergebnisse des Schwarzbuchs ein. Mit 133 Beispielfällen und insgesamt 159 Seiten sei das Schwarzbuch in diesem Jahr außergewöhnlich umfangreich. „Wir müssen feststellen, dass sich die Art und Weise von Steuergeldverschwendung verändert hat“, sagte Holznagel. „Die Fälle werden komplexer und umfangreicher.“ Öffentliche Verschwendung sei kein Kavaliersdelikt, ebenso wenig wie Steuerhinterziehung. Prävention sei das effektivste Mittel, denn die Politik weigere sich hartnäckig, Steuergeldverschwendung härter zu bestrafen.

Ein Schwerpunkt in diesem Jahr lag auch auf dem G7-Gipfel: Dazu hatten sich die Regierungschefs sieben westlicher Industrienationen im Juni auf Schloss Elmau nahe Garmisch-Partenkirchen getroffen. Der Steuerzahlerbund hält die Gipfel-Kosten für unverhältnismäßig.

Aufrufe: 030.9.2015, 20:22 Uhr
Micha Matthes, Heinz Klein, Birgit PinzerAutor