2024-11-21T16:25:36.907Z

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10 000 Zuschauer im Sportpark Nord waren in der 2. Liga fast die Regel. Norbert Lenzen bei einem sehenswerten Kopfball gegen den Wuppertaler SV. Foto: GA-ARCHIV/MÜLLER
10 000 Zuschauer im Sportpark Nord waren in der 2. Liga fast die Regel. Norbert Lenzen bei einem sehenswerten Kopfball gegen den Wuppertaler SV. Foto: GA-ARCHIV/MÜLLER

"Es wurde ein Exempel statuiert"

Günther Schwaba über den schwärzesten Tag der BSC-Historie, den Lizenzentzug 1977

Vor vier Jahren gab es im Sportpark Nord noch einmal ein großes Hallo. Günther Schwaba hatte die Mannschaft des Bonner SC zusammengetrommelt, die 1976 in die 2. Bundesliga aufgestiegen war und dann unfreiwillig Teil der deutschen Fußballgeschichte wurde.

"Fast alle sind gekommen", erinnert sich der damalige Abwehrspieler, "Uli van den Berg, Walter Hoffmann, Peter Nover, Hannes Wöhler. Selbst Herbert Höller, unser Torhüter, ist aus Österreich angereist."

Und natürlich drehte sich das Gespräch auch um den schwärzesten Tag in der BSC-Historie - den 9. Juli 1977. Es war der Tag, an dem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Bonnern die Lizenz entzog - als erstem Verein überhaupt im Profifußball. Die Bundeshauptstadt war mit einem Schlag wieder fußballerisches Provinznest.

Die turbulenten Ereignisse sind Schwaba noch immer präsent. "Wir waren ja sportlich gerettet, die Saison war durch. Die Vorbereitung auf die neue Spielzeit stand an."

Die Bonner waren im Aufstiegsjahr als Fünftletzter punktgenau gelandet, absteigen mussten Göttingen 05, Wacker Berlin, Union Solingen und - man höre und staune - der VfL Wolfsburg, der aktuelle DFB-Pokalsieger. "Und dann", so Schwaba, "kam diese Nachricht, die uns alle geschockt hat.

Wie sollte es weitergehen? Es ging ja hier um Existenzen." Das Trainingslager im Schwarzwald, in dem sich die Mannschaft mit Trainer Siegfried Melzig befand, wurde überstürzt abgebrochen.

Schon in den Monaten zuvor hatte sich die desolate Finanzsituation der Bonner abgezeichnet. Von Misswirtschaft war angesichts von bis zu 12 000 Zuschauern pro Heimspiel die Rede. "Die Gehälter wurden monatelang mit Verzögerung gezahlt", berichtet Schwaba.

Dass beim BSC zu dieser Zeit ordentlich verdient wurde, bestreitet der frühere Profi von Fortuna Köln nicht. Konkrete Summen wollte der heute 66-Jährige nicht nennen, doch das Beispiel Uli Surau ging damals durch die Medien. Der ehemalige Profi von Borussia Mönchengladbach, der nur auf sieben Einsätze im Zweitligajahr kam, soll 13 000 Mark Monatsgehalt bekommen haben - netto. Eine aberwitzige Summe für damalige Verhältnisse.


Die Vorwürfe des DFB-Lizenzierungsausschusses wogen schwer: Eine "katastrophale Buchführung" bescheinigte das Gremium dem BSC-Vorstand, Brutto-Gehälter seien netto ausgezahlt, Sozialabgaben nicht entrichtet, Lizenzierungsunterlagen nicht, fehlerhaft oder zu spät eingereicht worden. Die Verbindlichkeiten des Club beliefen sich danach auf 1,2 Millionen Mark.

Der BSC ging in die Berufung, nahm sich als Sportrechtsexperten den Dortmunder Anwalt Reinhard Rauball, heute Präsident der Deutschen Fußball-Liga. Hektisch suchte der BSC-Vorstand nach Finanzquellen und wurde tatsächlich fündig. Bonner Geschäftsleute übernahmen Bürgschaften über 500 000 Mark, sodass damit die kurzfristigen Verbindlichkeiten abgedeckt waren, die Spieler verzichteten auf Teile ihrer Gehälter. Doch der DFB blieb hart.

Bei der Berufungsverhandlung vor dem DFB-Schiedsgericht in Düsseldorf lehnte der Verband einen Vergleichsvorschlag des Richters ab. Schwaba, der mit anderen BSC-Spielern und vielen Fans die Sitzungen vor Ort verfolgte, ist sich heute noch sicher: "Der DFB wollte ein Exempel statuieren."

Sieben andere schwarze Schafe, darunter Hannover 96, Tennis Borussia Berlin, Werder Bremen und der FC St. Pauli, denen der DFB ebenfalls erhebliche Lizenzierungsverfehlungen nachwies, wurden - mit Auflagen - reingewaschen.

"Das war auch das Ende einer super Mannschaft", bedauert Schwaba im Rückblick. Der gebürtige Gelsenkirchener, der mit Fortuna Köln ein Jahr lang in der Bundesliga spielte, blieb als einer von wenigen trotz Angeboten aus Aachen und Hannover dem BSC auch in der Verbandsliga treu.


"Uns gefiel es hier, ich hatte mich gerade selbstständig gemacht, deshalb kam für mich ein Wechsel nicht in Frage. Ich habe es nie bereut", sagt Schwaba, der in Bornheim lebt. Zum BSC, für den er bis 1980 spielte und bei dem er danach auch kurze Zeit das Traineramt übernahm, ist die Verbindung abgebrochen. Zum 50-Jährigen wünscht der Ehemalige den Blau-Roten, "dass weiter solide gearbeitet wird. Es geht ja aufwärts, das ist unverkennbar."

2. Liga Nord 1976/77

Abschlusstabelle

1. FC St. Pauli 38 69: 36 54:22

2. Arminia Bielefeld 38 72: 39 50:26

3. Wuppertaler SV 38 81: 55 47:29

4. Bayer 05 Uerdingen 38 78: 52 43:33

5. Hannover 96 38 73: 48 43:33

6. Preußen Münster 38 73: 52 43:33

7. Alemannia Aachen 38 69: 56 43:33

8. Schwarz-Weiß Essen 38 63: 55 43:33

9. VfL Osnabrück 38 84: 77 43:33

10. Bayer 04 Leverkusen 38 59: 58 40:36

11. Westfalia Herne 38 77: 73 39:37

12. SC Fortuna Köln 38 67: 62 38:38

13. Arminia Hannover 38 64: 62 38:38

14. SC Herford 38 62: 63 36:40

15. SG Wattenscheid 09 38 65: 80 33:43

16. Bonner SC 38 53: 72 33:43

17. Göttingen 05 38 57: 67 31:45

18. Wacker 04 Berlin 38 43: 79 27:49

19. SG Union Solingen 38 46: 96 20:56

20. VfL Wolfsburg 38 46:119 6:60

Aufrufe: 016.6.2015, 09:00 Uhr
General-Anzeiger / Hartmut EickenbergAutor