»Wer das Hauptamt fördert, fördert auch das Ehrenamt«
Hartplatzhelden-Kolumne #11: Als einer der wenigen Breitensportvereine beschäftigt die TuSa Düsseldorf eine Vollzeitkraft im Management. Das entlastet die Ehrenamtlichen, denn die können nun gestalten statt verwalten. UTE GROTH über ein Pionierprojekt
In der Hartplatzhelden-Kolumne kommen kreative und kritische Köpfe aus dem Amateurfußball zu Wort, die sich mit den
Sorgen und Nöten unseres geliebten Sports befassen, aber auch Ideen für die Zukunft vorstellen. In der 11. Ausgabe erläutert
Ute Groth, 1. Vorsitzende der
DJK TuSA 06 Düsseldorf, warum es für viele Vereine sehr sinnvoll wäre, einen
Teilzeit- oder Vollzeitkraft als Vereinsmanager zu beschäftigen.
Ich möchte eine recht neue Idee vorstellen, mit der wir bei der TuSa Düsseldorf sehr gute Erfahrung machen: Wir sind ein klassischer ehrenamtlich geführter Verein, doch seit dem 1. April 2019 beschäftigen wir als einer von wenigen Vereinen eine hauptamtliche Mitarbeiterin. Anke, unsere Geschäftsführerin, geht in einer 40-Stunden-Arbeitswoche ihrer Tätigkeit als Vereinsmanagerin nach.
Dem ging ein langer Prozess voraus. Schon vor gut zwanzig Jahren ließen wir manche organisatorische Aufgabe wie Mitgliederverwaltung und Buchhaltung von einer Fachkraft auf Rechnung erledigen. Trotz dieser Entlastung wuchs die administrative Arbeit für die Vereinsführung stets. Unsere eigentlichen Aufgaben, Integration, Zusammenarbeit mit Schulen und Kindergärten, aber auch die zunehmend anspruchsvollen Mitglieder, die nicht auf der jährlichen Hauptversammlung zu Wort kommen wollen, waren neben der eigenen Berufstätigkeit nicht mehr zu stemmen. Zumal ein Großteil der Gespräche oder Organisationstreffen tagsüber stattfinden. Projektförderungen von LSB, DJK Sportverband oder Stadtsportbund (SSB) ließen wir links liegen, dafür und für die abschließende Evaluation blieb nämlich keine Zeit.
Das wollten wir ändern. Denn wir wollen nicht verwalten, sondern gestalten. Manche älteres Mitglied aus der Das-war-schon-immer-so-Fraktion mussten wir erst einmal überzeugen. Die wenigsten wissen, dass die Arbeit von früher nicht mehr viel mit den jetzigen Anforderungen zu tun hat. Letztlich wurde unserem Antrag zugestimmt.
Anke, eine frühere Ehrenamtlerin in der Fußballabteilung, kümmerte sich in etlichen Gesprächen mit den Mitarbeitern des SSB darum, ob wir die Bedingungen für eine Förderung erfüllen. Das Ergebnis war positiv, wir durften Fördergelder von 18.000 Euro, verteilt über drei Jahre, beantragen. Wir haben genug Mitglieder und leiten zudem ein Projekt für Mädchen-und Frauenfußball. Die Hürde der Qualifikation hat Anke mit der Ausbildung zur zertifizierten Vereinsmanagerin genommen.
So sieht Ankes Aufgabengebiet aus:
- Mitgliederverwaltung: Umstellung auf ein zeitgemäßes Programm. Damit haben wir endlich die Möglichkeit, E-Mail-Adressen zu erfassen und Mitglieder gezielt zu informieren.
- Vereinsunterlagen: Endlich sind alle Akten an einem Ort, wir haben ein Geschäftszimmer, alles, was vorher in vielen privaten Schränken stand, ist ausgemistet und sortiert.
- Personal: Wir haben eine Reinigungskraft und Platzwarte, einen Übungsleiter, da gibt es immer was zu regeln.
- Ansprechbarkeit: Anke ist tagsüber erreichbar, alle telefonischen Anfragen von Interessenten und die täglich eingehenden Anfragen per E-Mail werden von ihr beantwortet oder zum Ansprechpartner weitergeleitet. Alle Anfragen unserer Partnern in Schulen und Kindergärten nimmt sie entgegen.
- Organisation: Mit den umliegenden Schulen konnte Anke zusätzliche Stunden für den Offenen Ganztag abstimmen. Damit haben wir ein Stundenkontingent, um einen Übungsleiter einstellen, der sich durch den Einsatz in den Schulen refinanziert – und danach für unsere Sportlerinnen und Sportler besondere Angebote zur Fitness und Koordination macht. Wir nennen das Talentförderung.
- Hallenzeiten: Für die Vergabe der Hallenzeiten in den städtischen Schulen ist Anke der direkte Draht zum SSB. Das alljährliche Oktoberchaos, weil irgendwer mit irgendwem die Hallenzeit getauscht hat und keiner mehr wusste, welche Hallen im Winter für die Fußballer frei sind, gibt es nicht mehr.
- Betreuung: Jetzt können wir auch einen FSJler einstellen. Anfragen hatten wir schon oft, aber ohne Betreuung tagsüber mussten wir bisher absagen. Seit September ist Kai dabei, wird von Anke in die Geschäftsführung eingearbeitet und beteiligt sich als Trainer im Sportbereich. Auch für zwei Praktikanten vom Sportgymnasium ist Zeit. Sie können als Übungsleiter oder Helferin eingesetzt werden.
- Antragstellung: Wir haben einen Antrag auf Sportförderung aus Landesmitteln für zusätzliche Umkleiden gestellt. Eine große Summe wurde bewilligt. Die Vorbereitungen für die Baumaßnahmen, Abstimmungen mit Ämtern, Angebote einholen etc. müssen nun erledigt werden. Anke hat schon die Bauarbeiten für einen zu befestigenden Trampelpfad zum Fußballplatz des Nachbarvereins organisiert und koordiniert. Das geht jetzt einfach, weil jemand da ist, der sich kümmert und die Tore für die Handwerker öffnet. Die Mittel für den neuen Weg haben wir auf Antrag bezuschusst bekommen, Anke hat ihn gestellt.
- Es gibt noch viele andere Beispiele in unserem kleinen Unternehmen Sportverein
Alle sind begeistert, weil sie spüren, dass es vorangeht. Wir als ehrenamtlicher Vorstand haben immer noch genug zu tun, können aber jetzt Projekte entwickeln und bei der Aufbruchstimmung im Verein vielleicht auch einen Menschen überzeugen, als Schatzmeister zu kandidieren. Ehrenamt ist weiter unerlässlich, soll uns aber nicht mehr überfordern.
Ich weiß, unser Verein ist größer als die meisten anderen, lässt sich
unser Beispiel auf andere übertragen? Wir sind ein Mehrspartensportverein. Die Ursprünge im Jahr 1906 gehen auf den Zusammenschluss von Turnen und Fußball zurück. In den Sechzigern spielten wir in der Basketballbundesliga und wir haben einen weltweit bekannten Tischtennisspieler in unseren Reihen, Eberhard Schöler. Bis vor drei bis vier Jahren hat sich die Mitgliederzahl bei 1200 Mitgliedern eingepegelt. Seitdem sind wir beständig auf 1500 gewachsen. Bei der nächsten Hauptversammlung versuchen wir, die Mitglieder von der Idee zu überzeugen und Anke dauerhaft über eine Beitragserhöhung zu finanzieren. Ich bin guter Dinge.
Doch auch für kleinere Vereine sollte die hauptamtliche Lösung möglich sein,
vielleicht können sich mehrere zusammenschließen. Voraussetzung für die Stellenbesetzung ist die
Qualifikation, Sportwissenschaftler/in, Sportmanager/in, Vereinsmanager/in oder Sport- und Fitnesskaufleute, ein
mindestens fünfjähriger Arbeitsvertrag und
mindestens eine 50-Prozent-Stelle. Bei uns in Düsseldorf steht seit 2019 im Leitfaden Sportförderung eine Fördermöglichkeit für die Festanstellung eines Vereinsmitarbeiters, für kleinere Vereine in Kooperation. Das ist natürlich eine Frage der Finanzierung.
Ziel ist die Entlastung der Ehrenamtler, von denen auch Fritz Keller weiß, wie wichtig sie im Sport sind. Bei seiner Antrittsrede im September 2019 sprach der DFB-Präsident davon, auf politische Vertreter einwirken zu wollen.
Wir können sagen: Wer das Hauptamt fördert, fördert auch das Nebenamt.Protokoll: Oliver Fritsch
Zur Autorin:
Ute Groth, Jahrgang 1959, ist seit 2007 die Vorsitzende der DJK TuSA 06 Düsseldorf, einem Verein, der sich dem Breitensport verschrieben hat. 2019 wollte sie sich zur ersten DFB-Präsidentin wählen lassen, wurde aber zur Kandidatur nicht zugelassen. Ihr Verein, einer der mitgliederstärksten im Rheinland, ist Teil der DJK, dem katholischen Sportverband Deutschlands.
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Zur Hartplatzhelden-Kolumne: Immer mittwochs um 11 Uhr lassen wir kreative und kritische Köpfe aus dem Amateurfußball zu Wort kommen, die sich mit den Sorgen und Nöten unseres geliebten Sports befassen, aber auch Ideen für die Zukunft vorstellen.
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