2024-11-22T08:24:04.050Z

Interview
Der SC Borchen war Didi Wedegärtners letzte Station als Trainer. Von Sommer 2014 bis Dezember 2015 coachte er den Bezirksligisten aus dem Kreis Paderborn. Nun ist Schluss mit dem Trainerdasein - doch dem Fußball wird Didi treu bleiben..
Der SC Borchen war Didi Wedegärtners letzte Station als Trainer. Von Sommer 2014 bis Dezember 2015 coachte er den Bezirksligisten aus dem Kreis Paderborn. Nun ist Schluss mit dem Trainerdasein - doch dem Fußball wird Didi treu bleiben..

Für Fritz Grösche war ich der Hrubesch für Arme

Didi Wedegärtner geht nach fast 47 Jahren als Spieler und Coach in Fußball-Rente / Der 55-jährige Wahl-Bürener blickt noch einmal auf seine bewegte Zeit als Aktiver zurück / Zudem nennt er seine Zukunftspläne als angehender Hobbygolfer mit Bikini-Figur

Nach dieser Saison wollte Dietrich „Didi“ Wedegärtner ohnehin aufhören, um endlich mehr Zeit für seine Familie und Hündin Tintin zu haben. Seine eindrucksvolle Trainerlaufbahn endete dann jedoch schon im vergangenen Dezember, als sich Fußball-Bezirksligist SC Borchen von seinem Coach trennte. Dem Fußball aber wird Wedegärtner verbunden bleiben – auch beruflich. Schließlich arbeitet der gebürtige Lipper, der in Büren wohnt, als Fachredakteur für den Philippka-Sportverlag. FuPa-Mitarbeiter Manuel Schlichting sprach mit dem 55-Jährigen über das Dasein als Ex-Trainer, Veränderungen im Amateurfußball und die fast fünf Jahrzehnte, in denen „Didi“ als pfeilschneller Spieler und versierter Coach bei Vereinen in der Region immer wieder für Furore sorgen konnte.
Herr Wedegärtner, seit Ende 2015 sind Sie sozusagen in Fußballrente. Haben Sie schon ein wenig Abstand gewonnen und den Abgang verdaut?

Didi Wedegärtner: Klar. Ich hätte mir zwar ein mein Ego schmeichelndes Ende meiner Trainertätigkeit gewünscht, aber das ist auch schon Besseren als mir passiert.

Blicken wir zunächst auf Ihre aktive Zeit zurück. Was für ein Spielertyp waren Sie?

Wedegärtner: Ich habe immer im Sturm gespielt, erst Linksaußen, ab 1984 nur vorne drin, als Spielertrainer beides. Ich zähle nur die Stärken auf: Beidfüßig, links besser, im Sechzehner mit dem Blick für das im Weg stehende Verteidigerbein, als Ex-Leichtathlet schnell und sprungkräftig, schmerz- und angstfrei bei Kopfballduellen. Alle Mitspieler wussten, dass sie mich hoch oder lang anspielen mussten, sollte etwas dabei herauskommen. Auf der Insel hätte ich eine Riesenkarriere hingelegt.

Ist die Karriere auch so nach Ihren Wünschen verlaufen?

Wedegärtner: Auf jeden Fall. Für die dritthöchste Klasse hat’s ja gereicht. Zwar träumte ich als A-Junior bei Arminia von einer Profikarriere, doch die schminkte ich mir schon 1979 ab. Damals sollten wenig eingesetzte Profis in der DFB-Nachwuchsrunde Spielpraxis sammeln sowie die talentiertesten Amateur- und A-Jugendspieler am großen Fußball schnuppern. So fieberten an einem kalten Märzabend vor dem Spiel gegen Borussia Dortmund drei 18-Jährige der Rede des als Feuerwehrmann verpflichteten Otto Rehhagel entgegen. Der löschte ruckzuck, indem er sagte, dass er mit Frischlingen in der Bundesliga nichts anfangen könne. Wir sollten uns also an der Heizung warm machen. Da ich gerade mein Abi baute, reiste ich nicht mehr zu seinen Sitzungen an. Arminia stieg ohne mich ab. Jahre später zeigte ich es Herrn Rehhagel in einem Freundschaftsspiel, als ich lang geschickt wurde, Uli „die Axt“ Borowka nass machte, einnetzte und die folgenden Zweikämpfe überlebte.

Und zwischendurch gab’s keine Chancen auf den Sprung in den Profibereich?

Wedegärtner: Ostwestfalens Trainerlegende Fritz Grösche wollte mir in Verl Probetrainings in der Bundesliga vermitteln, doch ich fühlte mich dafür mit 25 schon zu alt – oder wollte er mich nur heißmachen? Zwar haben wir uns oft gefetzt, aber Fritz war mein bester Trainer – nicht nur, weil er den Horst Hrubesch für Arme in mir entdeckte.

1989 haben Sie als 28-Jähriger Ihre erste Trainerstadion beim Landesligisten TuS Horn-Bad Meinberg angetreten. Wie kam es dazu?

Wedegärtner: Nach meinem vierten Jahr in Verl merkte ich, dass Trainer Günter Rybarczyk nicht so auf Kopfballungeheuer stand. Zudem war ich Ende 1987 Vater geworden und wollte nur noch dreimal pro Woche trainieren. Also ging ich 1988 als Spieler zurück nach Horn. Als Trainer Wolfgang Wächter zum Saisonende aufhören wollte, hob ich die Hand.


Von 1984 bis 1988 kickte Didi Wedegärtner in der Verbands- und Oberliga für den SC Verl. Hier setzt er sich als Spielführer bei einem Kopfballduell durch.

Die ersten Erfolge traten rasch ein. Ein Grund war die Viererkette, die Sie als einer der ersten Amateurtrainer spielen ließen. War sie sozusagen Ihr Markenzeichen?

Wedegärtner: Bestimmt. In Horn spielten wir nur im Mittelfeld mit Raumdeckung, die ich bei Warburg 08 auf das gesamte Feld ausdehnte. Die Grundzüge der Kette erlernte ich erst 1997 beim A-Lizenz-Lehrgang aus italienischen Taktikbüchern und einem Video des großen Arrigo Sacchi. Die hat 08 tatsächlich als erstes Landesligateam gespielt. Von da an wusste jeder Verein, dass es, falls er mich holte, auf der Tribüne laut werden würde: „Ey, Trainer, siehste nicht, dass der dahinten völlig frei steht?“ Auch die U23 des SC Paderborn spielte unter mir mit Kette, während die Erste noch mit Libero agierte.

Es gab sicherlich auch Rückschläge. Welche fallen Ihnen da sofort ein?

Wedegärtner: Blöd war es, wenn beide Torhüter rotgesperrt waren. Wir spielten anfangs gnadenlos auf Abseits. So stand ich einmal nach 55 Minuten im Landesligator und brachte die Angreifer des BVL zur Verzweiflung, wenn ich ihnen 30 Meter vor dem Tor den Ball abnahm. Erst Mark Meinhardt zirkelte mir kurz vor Schluss einen Freistoß zum 3:2 in den Winkel. Das nehme ich ihm heute noch übel.

Junge Lizenztrainer träumen meist von höheren Aufgaben. Sie auch? Gab es Kontakte?

Wedegärtner: Klar. Gegen Michael Henke hatte ich noch selbst gespielt. Unsere Söhne Alex und David kickten bis zur E-Jugend zusammen und so steckte ich ihm beiläufig am Spielfeldrand, für alles offen zu sein. Doch solche Offerten bekam er sicher tagtäglich. Es klappte jedenfalls nicht. 2002 brachte mich Rhedas Ehrenvorsitzender Jupp Schnusenberg auf Schalke als Nachfolger von Norbert Elgert ins Gespräch, der von der U19 als Co-Trainer zu den Profis wechselte. Aber sie hatten wohl einen noch Besseren.

In Ihrer langen Trainerkarriere haben Sie viel erlebt. Welche Geschichten fallen Ihnen auf Anhieb ein?

Wedegärtner: In Warburg taten die beiden zweiten Vorsitzenden Konny Schonlau und Manfred Scheffler alles für die Mannschaft. So schleppte Konny zu jedem Training eine Kiste Wasser an. Und in Büren trainierte ich Jungs, denen ich schon als ihr Minikicker-Animateur gezeigt hatte, auf welches Tor sie möglichst nicht schießen sollten. In Höxter trauerten die älteren Spieler meinem Vorgänger Werner Koch nach, während die jüngeren mich lieb hatten. Bevor alle total zerstritten waren, trat ich zurück. In Delbrück führte meine Sturheit durchaus nachvollziehbar zum Rausschmiss – aber ich gucke halt gern in den Spiegel.

Was hat sich im Lauf der Zeit im Amateurfußball verändert?

Wedegärtner: Unglaublich viel. 1979 trainierten wir beim Verbandsligisten TuS Horn nur dienstags und donnerstags – bis zum Anschlag und mit einem 5.000-Meter-Lauf am Ende jeder zweiten Einheit. Die Torhüter hatten schon damals einen Pfeil im Kopf, doch die Verteidiger durften nicht über die Mittellinie. Was Trainer sagten, war Gesetz – da bissen nörgelnde Spieler beim Vorstand auf Granit. Ein Coach wurde frühestens im April gefeuert, außer er hatte vorher dem Präsidenten auf den Teppich gespuckt. Nach dem Training gab’s Gerstensaft und von den stundenlangen Nachspielzeiten im Verler Hotel Kampwirth mit Vorstand, Sponsoren, Trainer, Fans und „Spielerfrauen“ wissen auch Werner Schuck und Dietmar Krause noch manches Lied zu singen.

Und heute?

Wedegärtner: Heute trainieren viele A-Ligisten dreimal. Das Spiel ist auch dort viel schneller und taktisch reifer geworden. Zwar gibt es weniger Spieler als früher, doch die Trainingsqualität ist enorm gestiegen. Mit dem Fußball, den wir vor 30 Jahren spielten, würde uns unsere individuelle Klasse wohl gerade mal in der Landesliga halten. Was nicht so gut ist: So mancher Spieler studiert im Netz oder TV am Reißbrett erstellte Taktikkniffe und glaubt danach, mindestens so viel drauf zu haben wie sein Trainer. Überhaupt waren Spieler früher besser zur Selbstkritik fähig. Heute hörst du von ihnen viel zu oft „Ja, aber. . .“

Wie blicken Sie insgesamt auf die Zeit zurück und wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Wedegärtner: Meine Mannschaften haben öfter gewonnen als verloren. Es war eine tolle Zeit, nicht nur aus sportlicher Sicht. Auch unter Gegnern, Schiris, Zuschauern und selbst unter Journalisten habe ich viele nette Menschen kennen gelernt und glaube, dass ich auch den nicht so netten in die Augen schauen könnte. Die Zukunft hat schon begonnen: Ich bin viel öfter zuhause, was meine Frau Jutta hoffentlich genauso gut findet wie ich. Ich lese viel und arbeite mit für geschulte Augen bereits sichtbarem Erfolg an meiner Bikini-Figur für den Sommer: Im Schlepptau meiner vierbeinigen Zugmaschine kann ich schon wieder sieben Kilometer joggen. Und Golf zu lernen, wäre wirklich toll. Aber die Hauptsache ist, wir bleiben gesund.


Erst das Spiel engmachen, dann breitmachen, dann ab durch die Mitte: Didi Wedegärtner gibt als junger Coach der SF Warburg taktische Anweisungen.

Didi Wedegärtners sehenswerte Fußball-Vita

Voller Name: Dietrich Wedegärtner

Spitzname: Didi

Geboren: 18. September 1960

Geburtsort: Detmold

STATIONEN ALS SPIELER

1969 – 1977: Jugend TuS Horn-Bad Meinberg.

1977 – 1979: Arminia Bielefeld A-Junioren.

1979 – 1981: TuS Horn-Bad Meinberg (Verbandsliga).

1981 – 1982: SC Herford (Oberliga).

1982 – 1983: Teutonia Lippstadt (Oberliga).

1983 – 1984: BV Bad Lippspringe (Verbandsliga).

1984 – 1988: SC Verl (Verbands- und Oberliga).

1988 – 1989: TuS Horn-Bad Meinberg (Landesliga).

STATIONEN ALS TRAINER

1989 – 1991: TuS Horn-Bad Meinberg (Landesliga).

1991 – 1998: SF Warburg 08 (Bezirks-, Landesliga).

1996 – 1998: SV 21 Büren Minikicker (Champions League).

1998 – 2001: FSC Rheda (Landes-, Verbandsliga).

2001 – 2002: SC Paderborn II (Landesliga).

1/2003 – 12/2003: SC Delbrück (Verbandsliga).

2004 – 10/2004: SV Höxter (Landesliga).

1/2005 – 11/2010: SV 21 Büren (Kreisliga A).

2013 – 2014: FSV Bad Wünnenberg-Leiberg (Kreisliga A).

2014 – 12/2015 SC Borchen (Bezirksliga).

ERFOLGE ALS SPIELER

1981: Verbandsliga-Klassenerhalt mit Horn.

1986: Oberliga-Aufstieg mit Verl.

ERFOLGE ALS TRAINER

1993: Landesliga-Aufstieg mit Warburg.

1995: Landesliga-Wiederaufstieg mit Warburg.

1999: Verbandsliga-Aufstieg mit Rheda.

2002: Verbandsliga-Aufstieg mit Paderborn II.

Aufrufe: 031.3.2016, 08:49 Uhr
Manuel Schlichting / Fotos: Ludwig; PrivatAutor