Ein Spiel wartet 2020 noch auf Türkgücü. Am Mittwoch spielen die Münchner in Meppen (17 Uhr), dann ist das sportliche Jahr für den Neuling in der 3. Liga abgeschlossen.
München – Geschäftsführer Max Kothny (24) zieht mit unserer Zeitung Bilanz, spricht über den DFB-Pokal-Streit und eigene Herausforderungen als junger Verantwortlicher im Profifußball.
Herr Kothny, wie groß war die Erleichterung nach dem Sieg in Verl?
Unser Anspruch ist es natürlich, jedes Spiel zu gewinnen. Die Art und Weise, wie wir in Verl aufgetreten sind, hat mir aber besonders gut gefallen. Wir hatten wieder ein ganz anderes Erscheinungsbild als in den vergangenen Wochen. Wir haben Charakter gezeigt, waren körperlich da, haben gekämpft.
Türkgücü spielt als Neuling eine gute Rolle in der 3. Liga. Dabei war der Schritt in den Profifußball lange eine Hängepartie...
Für die Lizenzierung haben wir Tag und Nacht geschuftet. Als ich die Geschäfte übernommen habe, standen wir in Sachen Lizenzierung noch ganz am Anfang. Die Stadionfrage war noch nicht geklärt, von der Erfüllung der zahlreichen Auflagen waren wir weit entfernt. Für mich persönlich war es auch eine ganz neue Erfahrung. Für solche Aufgaben beschäftigen andere Vereine ein ganzes Team.
Haben Sie nie die Motivation verloren?
Natürlich haben wir uns zwischendurch mal gefragt: Können wir das überhaupt meistern? Wir hatten ständig die riesigen Pakete an Auflagen vor der Brust. Als dann feststand, dass wir in der 3. Liga spielen dürfen, waren wir überglücklich. Auch wenn es nicht das beste Jahr zum Aufsteigen war.
Für Aufsehen sorgte in diesem Jahr auch der DFB-Pokal-Streit. Bereuen Sie die Posse im Nachhinein?
Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir richtig gehandelt haben. Wir haben uns getraut zu sagen, dass wir uns ungerecht behandelt fühlen. Wir haben dafür viel Zuspruch von Experten aus der Branche bekommen. Dass viele Fußballfans es nicht verstanden haben, verstehe ich. Dass wir dadurch viel negative Kritik einstecken mussten, kann ich ebenfalls akzeptieren. Aber ich glaube unserem deutschlandweiten Ansehen hat der Prozess nicht geschadet. Wir würden wieder so handeln.
Das Vertrauen zum Bayerischen Fußball Verband (BFV) scheint nachhaltig zerstört zu sein.
Wir nehmen es sportlich, dass wir als Verlierer aus der Sache herausgehen. Der BFV wollte den Prozess auf seine Art gewinnen. Als bayerischer Fußballverein sind wir natürlich auch vom Bayerischen Fußball Verband abhängig, aber es findet kein aktiver Austausch statt.
Sie sind mit 24 Jahren Geschäftsführer im Profifußball. Wie hat der Job Ihr Leben verändert?
Das ist brutal. Für Familie, Freunde und Freizeit hast du keine Zeit mehr. Aber das ist genau die Herausforderung, die ich gesucht habe, das ist das Reizvolle. Wir sind auf einem guten Weg, nicht nur ich persönlich, sondern unsere ganze Geschäftsstelle. Ich habe ja keine erfahrenen Kräfte aus der Branche ausgewählt, sondern nur Leute, die auch richtig Bock auf unseren Verein haben. Die Jungs entwickeln sich alle prächtig, darauf bin ich mächtig stolz.
In welchen Bereichen muss sich Türkgücü 2021 verbessern?
Wir müssen eine geeignete Lösung für die Stadionproblematik finden. Generell brauchen wir infrastrukturell einfach bessere Grundlagen, müssen für den Nachwuchs interessanter werden. Auch mit Blick auf eine mögliche Lizenz in der 2. Liga.
Wird der Kader schon im Winter für das Ziel 2. Liga verstärkt?
Wir schauen ganz klar, welche Positionen aktuell noch ausbaufähig sind. Das wird eine schonungslose Analyse. Es gibt Spieler bei uns, die unseren fußballerischen Erwartungen leider nicht gerecht werden. Und natürlich auch Spieler, die einfach mehr Spielzeit erwartet haben. Wir wollten immer einen großen Kader mit einer breiten sportlichen Qualität haben. Wir merken jetzt aber auch, welche Nachteile so ein großer Kader birgt.
Was bleibt Ihnen vom Sportjahr 2020 besonders in Erinnerung?
Die Erfahrungen im Olympiastadion waren unglaublich. Erst recht, wenn man sich noch mal an die ganzen Überlegungen im Rahmen der Stadionfrage zurückerinnert. Wir haben uns ja sogar nach Alternativen in Nordrhein-Westfalen umgeschaut. Es war ein Kraftakt, bis wir im legendären Olympiastadion auflaufen konnten. Aber die Auftritte dort sind nicht nur für uns, sondern auch für die Gastmannschaften und Schiedsrichter jedes Mal ein Highlight.
(Interview: Nico-Marius Schmitz)