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Im Nachfassen

Als der 1. FC Saaarbrücken erstmals die großen Bayern demütigte

Es war der 30. Spieltag der Bundesliga-Saison 1976/77, als dem 1. FC Saarbrücken der vielleicht größte Sieg seiner bisherigen Vereinsgeschichte gelang

Die jüngeren Anhänger des 1. FC Saarbrücken erinnern sich natürlich vor allem noch an den sensationellen 2:1-Heimerfolg ihrer Lieblinge im November 2023 im DFB-Pokal gegen Bayern München zurück. Doch es gab in der vorherigen Vereinsgeschichte auch eine Partie, in welcher der große FC Bayern München sogar regelrecht vorgeführt wurde.

Die Rede ist vom 16. April 1977: Damals spielten Saarbrücken und die Bayern gemeinsam in der 1. Bundesliga. 39.000 Zuschauer verwandelten seinerzeit das Ludwigsparkstadion in ein wahres Tollhaus. Schiedsrichter dieser denkwürdigen Partie war Wolf-Dieter Ahlenfelder aus Oberhausen. Im Saarbrücker Tor stand Dieter Ferner - davor sollten Nikolaus Semlitsch, Egon Schmitt, Reinhold Zech, Bernd Förster, Heinz Traser, Ludwig Denz, Jovan Acimovic, Ludwig Schuster, Harry Ellbracht sowie Roland Stegmayer die großen Bayern ärgern. Bei den Gästen stand Josef "Sepp" Maier zwischen den Pfosten - und auch ansonsten erinnerte die Aufstellung der Bayern teilweise an eine Weltauswahl: Unter anderem liefen Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge und der Bomber der Nation, Gerd Müller, auf. Der 1. FC Saarbrücken wurde damals von Manfred Krafft trainiert - Bayern München von Dettmar Cramer. Was sich dann in den 90 Minuten auf dem Rasen des Ludwigsparkstadions abspielen sollte, wird für die älteren FCS-Anhänger unvergessen bleiben: Stegmayer absolvierte das Spiel seines Lebens und schenkte den chancenlosen Gästen gleich vier Treffer ein (21. Minute, 40., 60., 75.). Zwischenzeitlich hatte Müller auf 1:3 verkürzt (70.), doch das war an diesem denkwürigen Tag im Park nicht mehr als reine Ergebniskosmetik. Nachdem Stegmayer sein viertes Tor gelungen war, durften sich auch noch Denz (80.) und Schuster (88.) in die Torschützenliste eintragen. Anschließend schlichen die Bayern-Spieler mit gesenkten Köpfen vom Platz. Beckenbauer erklärte dann vor den Fensehkameras, dass kein Spieler seiner Mannschaft zu seiner gewohnten Normalform gefunden habe - und dass der 1. FC Saarbrücken in dieser Verfassung den Klassenverbleib schaffen werde. Der unvergessene Kaiser sollte mit dieser Aussage völlig richtig liegen: Am Ende schaffte der Liganeuling mit 29:39 Punkten als Tabellen-14. den Klassenverbleib. Für die Bayern war es dagegen eine Saison zum Vergessen: Mit 37:31 Zählern schloss die Beckenbauer-Elf die Runde gerade einmal auf Rang sieben ab. Die Meisterschaft ging mit 44:24 Punkten an Borussia Mönchengladbach - mit gerade einmal jeweils einem Zähler weniger folgten der FC Schalke 04 sowie Eintracht Braunschweig.

Bereits alleine das Eintrittsgeld wert gewesen war das 1:0 von Stegmayer, als dieser im Anschluss an eine verlängerte Ecke mit einem artistischen Fallrückzieher aus fünf Metern genau den linken Winkel anvisierte. Stegmayer lief anschließend an die Strafraumecke, riss jubelnd beide Arme in die Höhe und wurde von seinen Mitspielern frenetisch gefeiert. Für Maier im Tor der Bayern war es erst recht ein gebrauchter Tag, als er nach einem Schuss gegen seinen Kopf minutenlang behandelt werden musste. Maier biss allerdings auf die Zähne - und versuchte das zu verhindern, was an diesem Tag einfach nicht zu verhindern war: Eine völlig ungewohnte Gegentorflut für die Bayern. Stegmayer war in der Folge gar nicht mehr von seinen Gegenspielern zu halten und drosch den Ball beim 2:0 aus acht Metern erneut in den linken Giebel hinein. Auch beim 3:0 ließ der FCS-Angreifer Maier nicht den Hauch einer Abwehrchance und haute den Ball fulminant genau unter die Latte. Müller konnte artistisch im Fallen per Flachschuss ins linke Eck noch einmal für die Bayern verkürzen, aber der FCS war nicht mehr aufzuhalten. Beim vierten Tor der Hausherren stoppte Stegmayer den Ball eher ungewollt mit dem Rücken, um dann auf und davon zu gehen und Maier erneut keine Abwehrchance zu lassen. Der Rest ist Geschichte: Die Bayern gingen im Ludwigspark mit 1:6 baden, während der FCS erstmals seit über einem halben Jahr die Abstiegsplätze verlassen konnte. Dagegen war den Bayern spätestens nach diesem Spiel klar, dass die Meisterschaft kein Thema mehr für sie ist. Sie rutschten damals auf Tabellenrang acht ab. Und nicht vergessen sollte man auch den Treffer zum 6:1-Endstand von Schuster, der Sepp Maier dabei fast so vorführte, wie später im Jahr 1993 Jay-Jay Okocha von Eintracht Frankfurt bei seinem Jahrhunderttor Oliver Kahn, der damals noch das Gehäuse des Karlsruher SC hütete. Doch das ist eine andere Geschichte. Schuster beließ es an jenem 16. April 1977 bei lediglich einer Körpertäuschung gegen den großen Maier, um dann den Ball unter dem Jubel der Saarbrücker Anhänger zum 6:1-Endstand über die Linie zu drücken. Dieser Triumph gegen den FC Bayern München wird in den Geschichtsbüchern des 1. FC Saarbrücken auf ewige Zeiten unvergessen bleiben - auch wenn sich dann diese Ereignisse im November 2023 doch noch einmal irgendwie im DFB-Pokal wiederholen sollten. Und so können sowohl jüngere als auch ältere FCS-Fans behaupten, die großen Bayern im Park bereits verlieren gesehen zu haben.

Aufrufe: 011.3.2025, 10:45 Uhr
shoAutor