2025-01-10T12:37:46.891Z

Allgemeines
Wer watscht wen? Ex-1860-CEO Oliver Mueller.
Wer watscht wen? Ex-1860-CEO Oliver Mueller. – Foto: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMO

„An den Rand der Existenz geführt“: 1860 München erhebt schwere Vorwürfe gegen Mueller

„Die Gesellschaft stand unmittelbar vor der Insolvenz“

Verlinkte Inhalte

Der Gütetermin zwischen Oliver Mueller und dem TSV 1860 München brachte am Freitag kein Ergebnis. Fortsetzung folgt. Nur wo?

Es ist schon 10.55 Uhr, vor der Tür warten die nächsten Prozessteilnehmer, als Richter Florian Köhn die alles entscheidende Frage aufgreift. „Wo sind wir denn?“, fragt er rhetorisch in Richtung von Kläger- und Beklagtenseite: „Wir wissen ja noch gar nicht, ob wir überhaupt am Arbeitsgericht sind...“

Urteil im Rechtsstreit zwischen TSV 1860 München und Oliver Mueller verschoben

Physisch, das stand fest, befanden sich Oliver Mueller, sein Anwalt Christian Vogt und Erhard Kött, der Rechtsbeistand des TSV 1860, sehr wohl im Arbeitsgericht – und zwar in Sitzungssaal 1, der wegen des öffentlichen Interesses extra freigeräumt worden war. 35 Zuschauer, darunter Fans wie Allesfahrer Roman Wöll, waren am Freitag in die Winzerer Straße 106 gepilgert, um ab 10.22 Uhr live zu verfolgen, wer im Rechtsstreit zwischen dem Verein und seinem vor die Tür gesetzten Ex-CEO die besseren Argumente hat.

Jedoch, und darum ging es Richter Köhn jetzt: Ob das Arbeitsgericht die richtige Adresse für den Rechtsstreit ist oder eher das Landgericht – diese simple Frage muss geklärt werden, ehe überhaupt an ein Urteil zu denken ist. Bis 31. Januar (Mueller) bzw. 28. Februar (1860) ist nun Zeit, das Für und Wider zu begründen. Köhn, der sich sympathisch als leidgeprüfter Club-Fan vorstellte, sprach am Ende des Gütetermins die Empfehlung aus, beiden Parteien mögen sich um eine außergerichtliche Einigung bemühen.

Mueller fordert 600 000 Euro von 1860 München

Das könnte schwer werden, wenn man abwägt, welche Forderungen der entlassene Finanzchef auf der einen Seite stellt: satte 600 000 Euro für das ursprünglich bis 30. Juni 2026 fixierte Arbeitsverhältnis. Neben 264 000 Euro Grundgehalt (22 x 12 000) macht Mueller auch fiktive Boni (80 000), Urlaubsgeld (50 000), VIP-Tickets (17 000), Dienstauto (31 500), Sozialabgaben und mögliche Schadensersatzansprüche geltend. Und wenn man auf der anderen Seite bewertet, mit welchen Vorwürfen die Löwen, die am Freitag nur mit ihrem Anwalt vertreten waren, die am 31. August erfolgte fristlose Kündigung begründen.

Die Vorwürfe, die Kött gleich zu Beginn in Richtung der Kläger-Seite abfeuerte, haben es in sich. Mueller habe das Unternehmen durch „wiederholte Pflichtverletzungen“ und Budgetüberschreitungen „an den Rande der Existenz geführt“, so der 1860-Anwalt. Nicht nur, dass Mueller „eigenmächtig und allein“ Verträge im Volumen von 120 000 Euro gezeichnet habe, u.a. für die berühmte Planeten-Studie (8000 Euro) bei der Präsentation „Der neue Biss des Löwen“. Nein, er habe insgesamt „nicht vertrauensvoll“ mit Co-Geschäftsführer Christian Werner zusammengearbeitet. Mueller soll den vorgegebenen Etat in Höhe von 4,5 Millionen Euro großzügig auf 5,5 Mio. Euro ausgeweitet haben – unter Berücksichtigung eines Überbrückungs-Darlehens, das allerdings für Notlagen der KGaA gedacht ist, und nicht für die Kaderplanung.

Mueller lehnte fünfstelliges Vergleichsangebot der Löwen ab

Nach Darstellung von Kött hatten Muellers Fehlberechnungen massive Auswirkungen auf die Transferpolitik im Sommer: „Gespräche, die vor dem Vertragsabschluss standen, wurden abgebrochen.“ Die tz weiß: u.a. mit Stürmer Dominik Martinovic und einem zweiten Top-Sechser (Simon Rhein oder Dennis Dressel). „Für bestimmte Positionen“, führte Kött aus, „konnte kein Spieler verpflichtet werden, was den Verein bis heute belastet.“ Die Folge, das überstrapazierte Budget, könnte auch erklären, warum Werner seither in der Trainerfrage keinen Handlungsspielraum hat.

Kötts Fazit zu Muellers siebenmonatigem Wirken: Nicht nur in der Geschäftsstelle, vor allem auch aufseiten der Gesellschafter habe es „erhebliche Widerstände gegen den Geschäftsführer“ gegeben. „Die Gesellschaft stand unmittelbar vor der Insolvenz“, schilderte er, „die Lizenz war gefährdet.“ Mueller-Anwalt Vogt konterte: „Die Vorwürfe sind immer noch oberflächlich. Der Kläger hat sich nichts vorzuwerfen.“ Zudem habe das Geschäftsjahr ja gerade erst angefangen. Klar wurde am Freitag aber auch: Die HAM-Seite um Hasan Ismaik hat Muellers Rauswurf nicht nur gefordert, sondern wacht seither noch penibler über das freigegebene 4,5-Mio.-Budget. Insgesamt, so Kött, habe sich Mueller „unfein“ gegenüber dem Investor verhalten.

Und trotzdem: Das Vergleichsangebot der Löwen, das sich im fünfstelligen Bereich bewegt, lehnte Mueller ab. Auch die VIP-Tickets, die der Löwen-Anwalt draufzulegen bereit war („Wenn sie für den Kläger so wichtig sind...“), änderten nichts daran. Mueller und 1860 – dieses Tischtuch bleibt zerschnitten. Irgendwann im Frühjahr wird man sich wiedersehen. Offen ist nur, ob dann vor dem Arbeits- oder dem Landgericht.

Aufrufe: 011.1.2025, 10:50 Uhr
Uli KellnerAutor