2024-12-19T11:15:55.908Z

Ligabericht
Mit dem Aufstieg in die fünftklassige Bayernliga sorgte die Spvgg Ruhmannsfelden 2015 für eine Sensation.
Mit dem Aufstieg in die fünftklassige Bayernliga sorgte die Spvgg Ruhmannsfelden 2015 für eine Sensation. – Foto: Helmut Weiderer

Der Landkreis Regen in der Spielklassen-Krise

Bis auf Ruhmannsfelden spielt kein Verein aus dem Landkreis Regen mehr auf der Bezirks- oder Verbandsebene - ganz im Gegenteil zu früher. Ursachenforschung...

War früher alles besser? Die Suche nach der Antwort auf diese Frage ist ein Dauerthema im Bereich des Fußballs - einhergehend mit vielen Meinungen, Behauptungen und daraus resultierenden Diskussionen. Der kleinste gemeinsam Nenner in dieser Hinsicht ist oft die Feststellung, dass es keine Beweise für Antworten aller Art gibt. Nicht so im Landkreis Regen. Die Tatsache, dass sich mit der Spvgg Ruhmannsfelden nur ein Verein auf Bezirksebene wiederfindet, verdeutlich sehr wohl, dass rund um den Arber früher alles besser war - zumindest wenn es um die Klassenzugehörigkeit der einzelnen Vereine geht.

Die Krise der Regener Teams was höherklassigen Amateurfußball betrifft ist eine Erscheinung der jüngsten Vergangenheit, so viel steht fest. Denn der Weg vieler Vereine aus dieser Region des Bayerischen Wald ist geradezu gepflastert von Erfolgen und Aufstiegen. U.a. der SC Zwiesel, der TSV Regen, der 1. FC Viechtach oder der TSV Lindberg spielten in ihren Glanzzeiten in der 4. oder 5. Liga, die je nach Eingliederungen Landesliga oder Bayernliga hießen. Bis auf die eingangs angesprochene Ausnahme kicken diese früheren Aushängeschilder inzwischen auf Kreisebene.

"Mit Blick auf die Spielklassen, in denen sich die Mannschaften aus dem Landkreis Regen wiederfinden, lässt sich feststellen, dass das Niveau in den letzten Jahren deutlich gesunken ist", stellt auch Harald Haase in seiner Funktion als Kreissport-Beauftragter fest. Die Aussage des 47-jährigen Sportpolitikers und Verbandsfunktionärs in Zahlen: Neben dem Bezirksliga-Standort am Lerchenfeld stellt der Bayerwald-Landkreis sechs Kreisligisten, elf Kreisklassisten und 16 A-Klassen-Teilnehmer. Zum Vergleich: Der Landkreis Freyung-Grafenau, der ähnliche Strukturen wie sein nordwestlicher Nachbar vorweisen kann, hat alleine fünf Vertreter in der Bezirksliga Ost. Fakten, die beim Sport-Beauftragten angekommen sind: "Der Landkreis Regen nimmt das Leistungsniveau wahr, ist aber nicht gerade darüber erfreut, dass sich hier andere Landkreise in Niederbayern sportlich deutlich besser positioniert haben."

Alois Wittenzellner vermisst die Freitagabend-Derbys


Doch worin liegen die Gründe für diese Entwicklung in die falsche Ligen-Richtung? Warum können zahlreiche Vereine nicht an frühere Glanzzeiten anknüpfen? Und was macht Ruhmannsfelden besser bzw. anders als die anderen?

Die Erfolgsgeschichte der Spielvereinigung, die seit 1995 auf Bezirksebene unterwegs ist, hat mehrere Gründe, wie deren Fußballchef Alois Wittenzellner erklärt. Der 34-Jährige selbst ist ein beeindruckendes Beispiel für die harte und viele Arbeit, die nötig ist, um überhaupt in die Nähe eines Erfolges zu kommen. Wittenzellner ist C-Jugend-Trainer, Spieler der 3. Mannschaft, Sportlicher Leiter der Bezirksliga-Truppe - und trotz seiner erstaunlichen Ämterhäufung längst kein Einzelfall in der Marktgemeinde. "Ich will gar keine Namen nennen, weil ich niemanden vergessen möchte, aber: Über Jahre hinweg hat es bei uns immer wieder Menschen gegeben, die sich mit voller Energie für den Verein eingesetzt haben - und das zahlt sich aus."

Doch auch für die Spvgg Ruhmannsfelden ist es keine Normalität, in der Bezirksliga vertreten zu sein. Der Bayernliga-Aufstieg 2015 war ohnehin eine Sensation. Doch auch Abstiege, vielleicht sogar in die Kreisliga, haben den Verein nicht aus der Bahn geworfen und werden es auch nicht tun. Davon ist Alois Wittenzellner überzeugt: "Gerade wenn es nicht so gut läuft, rücken wir noch enger zusammen und arbeiten noch mehr. Und dann kommen auch wieder bessere Zeiten." Generell ist man bei der Spvgg mit dem aktuellen Standard zufrieden - auch im Juniorenbereich. Und das obwohl sich viele Nachwuchsteam noch vor einigen Jahren mit den besten Bayerns messen konnten. "Wir liegen direkt zwischen den Nachwuchsleistungszentren Cham und Deggendorf. Das merkt man. Der DFB will es so, dass die besten Talente gleich dorthin gehen und nicht bei den Vereinen vor Ort bleiben."



Dass Ruhmannsfelden in seinem Heimatlandkreis allein auf weiter Flur ist, bedauert der Vereinsfunktionär. Er sieht darin keinen Vorteil, die besten Spieler deshalb vielleicht einfacher zu bekommen. Sondern eher einen Nachteil, weil viele interessante Derbys weggefallen sind. "Die Freitagabend-Derbys gegen Zwiesel und Regen - das waren absolute Highlights, auf die man tagelang hingefiebert hat. Diese Partien fehlen natürlich sehr."

Apropos Zwiesel: Die Glasstadt war früher das fußballerische Aushängeschild des Bayerischen Waldes schlechthin. Spieler wie beispielsweise Torjäger-Legende Klaus Fischer wurden beim Sportclub ausgebildet. Die erste Mannschaft spielte Landesliga, damals die vierthöchste Spielklasse überhaupt. Und heute? Aktuell rangiert die Truppe von Michael Schaller auf Rang 5 der Kreisliga Straubing, deutlich entfernt von den Aufstiegsplätzen. Es klingt zunächst komisch, aber Abteilungsleiter Thomas Kagerbauer ist damit sogar einigermaßen zufrieden.

"Es tut gut daran, etwas kleinere Brötchen zu backen - zumal höherklassiger Fußball mit mehr Ausgaben verbunden ist, die wir einfach nicht stemmen könnten." Die Worte des 38-Jährigen etwas weiter ausgeführt: Seiner Meinung nach hätte der Zwieseler Winkel generell zu kämpfen. Es fehlt an Wirtschaftskraft, an Arbeitsplätzen und somit an Sponsoren. Zudem sei das Ehrenamt rund um Zwiesel nicht derart verankert wie im übrigen Bayerwald, sodass viele wichtige Positionen innerhalb der Vereine nicht adäquat besetzt werden können. "Das alles hat dazu geführt, dass es mit dem SC etwas bergab gegangen ist. Doch glücklicherweise haben wir die Talsohle durchschritten."

2014/15 verabschiedete sich der SC Zwiesel von der Bezirksebene - und das auch noch über den bitteren Umweg Relegation.
2014/15 verabschiedete sich der SC Zwiesel von der Bezirksebene - und das auch noch über den bitteren Umweg Relegation. – Foto: Helmut Weiderer


Dass der ruhmreiche Zwieseler Sportclub wieder auf dem aufsteigenden Ast ist, ließe sich sportlich vielleicht (noch) nicht messen. Aber was die Identifikation mit dem Verein betrifft, sei ein deutlicher Aufwärtstrend zu beobachten. "Ich bin Lehrer an einer Schule in Freyung. Und da kommen die Jungs und Mädls einfach mit dem Grainet-Pulli zum Unterricht. Das ist bei uns nicht so. Doch dorthin wollen wir kommen", berichtet Kagerbauer, der feststellt, dass das unbedingte Streben nach Erfolg beim SC oftmals die Jugendarbeit in den Schatten gestellt hat. "Ein Knacks, der rund um 2010 durch den ganzen Verein ging, hängt weiter nach. Wir kämpfen noch heute mit den Fehlern, die damals gemacht worden sind." Ein weiteres Problem, das Zwiesel aber nicht exklusiv hat, sondern das Los vieler Städte ist, ist das große Angebot an Freizeitaktivitäten - je größere eine Ortschaft ist. "In dieser Hinsicht hat es ein Stadtverein fünfmal schwieriger als eine Dorfmannschaft."

Da sind die früheren Big-Player auf der einen Seite, die deutlich ihren eigenen Ansprüchen hinterherhinken. Da sind aber auf der anderen Seite auch die kleinen Wunder, die der Landkreis Regen derzeit einfach nicht erleben darf. Oft schaffen es sog. "Goldene Generationen", dass ein Verein Bezirksliga-Luft schnuppern darf, was oftmals der größte Erfolg der eigenen Clubhistorie ist. Schöfweg ist so ein Beispiel in FRG. Lindberg war es früher in der Arberland-Region.

Lindberg: »Kreisliga ist das höchste der Gefühle«



"Genau, wir hatten damals eine Goldene Generation", erklärt Franz Straub, 1. Vorsitzender des TSV Lindberg. Mitte/Ende der 1970er spielte das kleine Dorf in der damals viertklassigen Landesliga. Eine Erfolgsphase die, so realistisch ist man beim TSV, nicht mehr zu wiederholen ist. Eine Glanzzeit, die aber wegen hoher Erwartungen heute keine Belastung ist für die aktuellen Spieler ist, wie man vielleicht vermuten möchte. "Wir sind alle stolz auf unsere glorreiche Vergangenheit. Sprüche wie "früher war alles besser" fallen aber nie. Das wundert mich selbst ein bisschen. Selbst die früheren Landesliga-Spieler gehen heute noch gerne zum Fußball und unterstützen die Mannschaft, wo es nur geht."

Diskutiert wird rund um das Stadion am Angerweg aber oft, warum es generell im Landkreis Regen nicht klappt mit höherklassigem Fußball. Zu einer Lösung kommt man bei diesen Gesprächen allerdings nie, wie Franz Straub berichtet. "Man wünscht es anderen Vereinen von Herzen, wieder nach oben zu kommen. Für uns ist dieser Zug jedoch abgefahren. Kreisliga ist unser Ziel und gleichzeitig das höchste der Gefühle."

Mitte/Ende der 70er Jahre spielte der TSV Lindberg in der 4. Liga - heute ist die Kreisliga das Ende der Fahnenstange.
Mitte/Ende der 70er Jahre spielte der TSV Lindberg in der 4. Liga - heute ist die Kreisliga das Ende der Fahnenstange. – Foto: Karin Steinert


Nicht nur niederbayernweit zu den Besten zählte Heinz Wittmann. Der gebürtige Zwieseler gehörte sogar der legendären Fohlen-Elf der 70er Jahre an, war Stammspieler in der Bundesliga. Am Herzen liegt dem 77-Jährigen, der eine Pension in seinem Heimatort betrieb und dort auch noch wohnt, aber nicht der große Fußballzirkus, sondern vor allem die Basis vor seiner Haustüre. "Ja, wie gibt's das", wiederholt Wittmann immer wieder auf die Frage, warum sein Landkreis in der Fußball-Krise steckt. Trotz langer Unterhaltungen mit früheren Freunden hat der frühere Gladbach-Spieler keine Antwort parat.

Freilich, generell hätte sich das Leben von Jugendlichen verändert. Aber das ist kein Problem, mit dem der Landkreis Regen exklusiv zu kämpfen hätte. "Mein Lieblingsobjekt war immer der Kopfballpendel. Ich hab dem SC früher dann einen hingebaut - doch der verweist inzwischen." Heinz Wittmann hat in den vergangenen Jahren festgestellt, dass rund um den Arber das Interesse am Fußball deutlich abgenommen hat - im Gegensatz beispielsweise zum Landkreis Freyung-Grafenau. "Die aktuelle Entwicklung stimmt mich sehr, sehr traurig. Und leider kann ich mich mit meinem alten Freund Gust Kagerbauer - Gott habe ihn selig - nicht mehr darüber austauschen."

Aufrufe: 014.10.2020, 13:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor