2025-01-15T10:13:37.743Z

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Hans-Hermann Eder (links) und Siegfried Wilhelm, zwei wichtige Bestandteile der TSV-Bezirksliga-Elf, waren wie die übrigen Teammitglieder beste Freunde.
Hans-Hermann Eder (links) und Siegfried Wilhelm, zwei wichtige Bestandteile der TSV-Bezirksliga-Elf, waren wie die übrigen Teammitglieder beste Freunde. – Foto: Repro Alfons Gibis

Kreuzberger Nächte sind lang - vor allem zu Bezirksliga-Zeiten

1988 bis 1994 und 99/2000 gehörte der TSV Kreuzberg der Bezirksliga Ost an. Trainer Alfons Gibis, Abteilungsleiter Ludwig Philipp sowie Torwart Siegfried Wilhelm erinnern sich.

Für Ludwig Philipp war seine Aufgabe als Abteilungsleiter nicht nur mental, sondern auch körperlich eine Herausforderung. Während der Bundeswehr-Zeit seiner Schützlinge machte er sich an einem Sonntag im Morgengrauen auf nach Grafenwöhr, um Tolksdorf & Co. abzuholen. Nach den 90 Minuten brachte er sie dann wieder zurück zum 250 Kilometer entfernten Truppenübungsplatz in der Oberpfalz. Hatten die Soldaten Sonntagsdienst, versuchte Philipp über Kontakte in Offizierskreise deren Stunden irgendwie zu tauschen, was ihm meistens gelang. "Das war doch alles normal", tut der 74-Jährige diese Beispiele seiner Leistung ab. "Jeder von uns hat das Beste gegeben, um das zu erreichen, was wir erreicht haben."

Und die erfolgreichste Phase der Vereinsgeschichte führte den TSV Kreuzberg von 1988 bis 1994 und 99/2000 in die Bezirksliga. Um diese Leistung ungefähr einordnen zu können, hilft vielleicht ein Blick auf eine für die Waidler eigentlich nebensächliche Partie. Der heutige Regionalligist SV Schalding-Heining, der damals seinen Weg nach oben startete, war auf die Schützenhilfe von Dillinger, Petzi & Co. angewiesen. "Sie haben uns 300 Mark versprochen, sollten wir uns gegen Massing reinhängen, gewinnen und somit dem SVS den Klassenerhalt zu sichern", erinnert sich Siegfried Wilhelm, der auf Bezirksebene den Kasten der "Kreizberga" hütete.

Der TSV siegte, der SVS blieb in der Liga. Ob allerdings tatsächlich Geld geflossen ist, ist nicht geklärt. Sicher kann man sich aber hingegen sein, dass der Verein aus dem Freyunger Ortsteil auch ohne eine derartige "Bestechung" alles gegeben hätte. Denn diese Charaktereigenschaft einte Otto Tolksdorf, Christian Dillinger & Co.. Weil sie aber nicht nur alles dem Erfolg unterordneten, sondern darüber hinaus auch noch beste Freunde waren, bildete sich im kleinen Örtchen auf exponierter Lage eine Art sportliche Wagenburg-Mentalität, die den Verein auf Bezirksebene hievte.

Sie waren nicht nur wie Brüder - sie waren es auch tatsächlich



Von Anfang an dabei war Alfons Gibis, selbst ungefähr im Alter der meisten Akteure. Der heute 66-Jährige musste aber verletzungsbedingt früh seine Karriere beenden und wurde dann zum Trainer seiner Freunde. "Während meines Lehramtstudiums habe ich auch eine Sportprüfung gemacht. Diese reichte, damit mich alle als Trainer wollten. Anfangs etwas überredet, habe ich diesen Posten immer lieber ausgefüllt", erinnert er sich. In Zeiten, in denen Taktik, Spiel- und Trainingsformen noch eine untergeordnete Rolle spielten, erarbeitete sich der Pädagoge nach und nach sein Wissen. Unter anderem spionierte er auch die Vorgehensweise von Ex-Profi Sepp Weiß aus, der in den 80ern den Rivalen TV Freyung als Spielertrainer verantwortete.

"Die Burschen waren sehr diszipliniert. Keiner musste zum Training gebeten werden. Leistung war selbstverständlich und das Team ineinander gefestigt. Vor allem ich habe mich deshalb verstärkt um das Drumherum gekümmert - und zum Beispiel Sponsoren für neue Trikots akquiriert", beschreibt Abteilungsleiter Philipp zum einen seine Aufgabe, zum anderen das Geheimnis der TSV-Erfolgsmannschaft. Die Gebrüder Tolksdorf, Dillinger, Eder und Wilhelm waren talentierte Fußballer, insgesamt eine Goldene Generation, die ihr eigenes Ego hintanstellten und so als Team erfolgreich waren. Los ging es mit der Kreis-Hallenmeisterschaft 1983 und dem entsprechenden Bayerwald-Titel im Jahr drauf. 1985 stieg der TSV Kreuzberg in die A-Klasse (heute Kreisliga) und profitierte zwei Jahre später von der Spielklassenreform - schaffte als Vierter den Sprung in die Bezirksliga.

Diese Kreuzberger Truppe stieg 1987/88 in die Bezirksliga auf.
Diese Kreuzberger Truppe stieg 1987/88 in die Bezirksliga auf. – Foto: Repro Alfons Gibis


Die Gegner waren nun die großen Nachbarn Mauth und Freyung. Auch u.a gegen Neukirchen Hl. Blut, Eggenfelden und Simbach mussten die Waidler ran. Besonders letztgenannter Ort hat dabei Eindruck hinterlassen. "Der Trainingsplatz von Simbach war besser als unser Hauptplatz, deren Anlage insgesamt ein Traum. Wir hatten nur noch große Augen und haben zum Schluss dort gewonnen", erzählt Alfons Gibis, der während seines Referendariats an den Wochenenden 200 Kilometer einfache Fahrstrecke auf sich nahm, um am Freitag das Training leiten zu können und Sonntag beim Spiel mit dabei zu sein.

Anfang und Ende der 90er gehörte Kreuzberg zu den fußballerischen Aushängeschildern des Bayerischen Waldes. Waren Wilhelm, Petzi & Co. während der ersten Bezirksliga-Phase noch Jungspunde, gehörten sie rund um die Jahrtausendwende bereits zu den erfahrenen Haudegen. Der Großteil der Mannschaft blieb über die gesamte Zeit hinweg zusammen. Nur einige, wenige Spieler wie Bruno Stockinger fielen weg, die Nachwuchsspieler Andreas Wensauer, Josef Seidl und Andreas Schmid kamen dazu. Dass der Kader immer verhältnismäßig klein blieb, war einerseits Segen, weil die Mannschaft eingespielt war. Fluch andererseits, weil praktisch keine Ausfälle kompensiert werden konnte.



Eines der wenigen "Transfertheater" aus dieser Zeit ist bei Alfons Gibis besonders haften geblieben. "Wir wollten vom TV Freyung den Ferdl Kloiber holen. Alles war eigentlich fix. Doch dann hat sein Vater eine riesengroße Gaudi gemacht und wir haben den Wechsel rückgängig gemacht." Andere Zeiten, andere Sitten. Der Spielermangel konnte letztlich nie mehr aus der Welt geschafft werden. Das hat nach dem Karriereende der Cracks dazu geführt, dass der TSV immer weiter in den Niederungen der Kreiseben verschwand, kurzzeitig den Spielbetrieb sogar einstellen musste und inzwischen eine Spielgemeinschaft mit den Nachbarvereinen TV Freyung und TSV Mauth gebildet hat.

Heute, unkt Ludwig Philipp, würden Verantwortliche eines Bezirksligisten vielleicht Geld in die Hand nehmen, um den eigenen fehlenden Nachwuchs zu kompensieren. "Damals haben wir nicht einen Moment an solche Dinge gedacht. Dass damals Spieler den Verein gewechselt haben, war eine Ausnahme." Man musste arbeiten, mit dem, was man hatte. Und das haben Philipp, Gibis & Co. nachweisbar mit Erfolg gemacht. "Wir waren beispielsweise einer der ersten Vereine in unserer Gegend, der ins Trainingslager gefahren ist. Nach Jesulo in Italien. Das war damals eine Sensation."

Das Training war kein Muss, sondern ein Genuss: Siegfried Wilhelm in Aktion.
Das Training war kein Muss, sondern ein Genuss: Siegfried Wilhelm in Aktion. – Foto: Repro Alfons Gibis


Siegfried Wilhelm war als Torwart mittendrin - mit Haut und Haar. Im Rückblick spricht der 57-Jährige von einer "besonderen Mannschaft, die diese Bezeichnung verdient hatte". Sein Freundeskreis hätte zwar auch wie alle Gleichaltrigen Flausen in Kopf gehabt, wollte aber vordergründig unter Einsatz aller Kräfte sportlichen Erfolg haben - gemeinsam. Natürlich hätten die Leistungsträger des Teams auch damals schon Angebote höherklassiger Vereine bekommen. "Doch keiner hat daran gedacht, wegzugehen. Wir waren - auch wenn es etwas schmalzig klingt - wie Brüder." Die damals entstanden Freundschaften bestehen bis in die Gegenwart. Noch heute treffen sich die Spieler von damals regelmäßig zu einem Freizeitkick. Und auch Verantwortung haben die einstigen Bezirksliga-Helden übernommen.

So war Siegfried Wilhelm selbst beispielsweise zehn Jahre 1. Vorsitzender. Nichtsdestotrotz sei der Absturz des TSV Kreuzberg nicht zu verhindern gewesen. Zum einen wegen des demographischen Wandels. Zum anderen wegen deutlich mehr Freizeitangeboten und einer generell anderen Amateur-Welt. Der frühere Torhüter ist seinem Verein dennoch verbunden geblieben. Alfons Gibis und Ludwig Philipp hingegen betreten die einstige Stätte ihres Erfolges, den Kreuzberger Sportplatz, nur noch selten. Die Entwicklung des (Amateur-)Fußballs hat dazu geführt, dass bei beiden aus dem einst lodernden Feuer ein kleines Flämmchen geworden ist. Das soll aber noch längst nicht heißen, dass die Bezirksliga-Zeiten des TSV Kreuzberg nun Asche sind...

Aufrufe: 026.12.2020, 15:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor