Berlin. Wenn im Dezember Werder Bremen in der Bundesliga auf den alten Rivalen Hannover 96 trifft, könnte das ein ganz besonderes Spiel werden. Und zwar ganz egal, wie das Nordduell ausgeht. Denn Bremen, das kleinste Bundesland, hat angekündigt, die zusätzlichen Polizeikosten für das Risikospiel vom SV Werder einkassieren zu wollen. Etwa 300 000 Euro, geschätzt. Es wäre das erste Mal, das für einen Polizeieinsatz in einem deutschen Stadion ein Fußballclub aufkommen müsste. Ein Exempel, das andere klamme Bundesländer mit Interesse verfolgen dürften.
Wohl kein "Flickenteppich"
Die Sorge von Ligapräsident Reinhard Rauball vor einem "Flickenteppich" im deutschen Fußball ausgerechnet in der brisanten Sicherheitsthematik ist wohl unbegründet - denn Bremens Politiker stehen mit ihrer Bezahloffensive ziemlich allein da. Nach dem vieldiskutierten Vorstoß von Bremens Innensenator Ulrich Mäurer bekam der SPD-Politiker keinerlei Unterstützung aus anderen Bundesländern - auch nicht von Parteifreunden aus Hamburg, Brandenburg oder dem traditionellen Fußball-Land Nordrhein-Westfalen.
Rheinland-Pfalz - wie Bremen rot-grün regiert - hatte sich schon vor dem Bremer Beschluss positioniert und als bundesweit einheitliche Regelung den sogenannten Event-Euro vorgeschlagen. Je ein Euro solle auf den Eintrittspreis bei kommerziellen Großveranstaltungen aufgeschlagen werden. In der Innenministerkonferenz sei der Vorschlag noch nicht abschließend beraten worden und somit nicht "abstimmungsreif". Auch wenn der Event-Euro bereits Ende 2011 vom rheinland-pfälzischen Innenminister Roger Lewentz (SPD) ins Spiel gebracht wurde.
Dass der Profi-Fußball geschlossen gegen die Bremer Pläne ist, versteht sich von selbst.
"Unser Ziel ist es, die Einsatzzeiten der Polizei beim Fußball auf Dauer zu reduzieren. Dabei setzen wir auf den Schulterschluss mit DFB, DFL, den Vereinen und den friedlichen Fans", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger. "Nur gemeinsam kann es uns gelingen, Chaoten und Gewalttäter aus den Stadien herauszuhalten", fügte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz an.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann positionierte sich am deutlichsten gegen den sogenannten Bremer Beschluss. "Für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt die originäre Zuständigkeit beim Staat und damit bei der Polizei", erklärte der CSU-Politiker in München. "Wenn HSV-Fans am Marienplatz randalieren, kann man nicht den FC Bayern dafür verantwortlich machen", betonte Herrmann. Nach Ansicht Herrmanns wie praktisch aller seiner Amtskollegen sind die Veranstalter von Fußballspielen oder anderen Großveranstaltungen "generell in den eigenen Räumen und eigenen Veranstaltungsorten für den geordneten Ablauf selbst zuständig". Auch müssten sie für eine ausreichende Anzahl an Ordnern sorgen - mehr aber auch nicht.
Auch aus Schleswig-Holstein, Hessen, Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern kamen am Mittwoch ablehnende Reaktionen. Die Landesregierungen in Baden-Württemberg und Niedersachsen hatten sich schon am Dienstag entsprechend geäußert. "In den letzten zwei Jahren haben die Bundesländer gemeinsam mit der DFL und dem DFB sehr konstruktive Gespräche in den Bereichen Fan-Förderung und Gewaltprävention geführt. Die jetzige Entscheidung in Bremen beeinträchtigt diese Gespräche und ich halte sie für wenig zielführend", sagte Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius. Ligapräsident Rauball hatte seine Sorge ausgedrückt, der Bremer Beschluss werde eine uneinheitliche Regelung in Deutschland hervorrufen. "Es droht ein Flickenteppich - und das kann niemand wollen." Im Moment ist Bremen aber der einzige Mini-Flicken auf dem deutschen Fußball´teppich. dpa/AF Meinung Messerscharfe Reaktion
Nie wieder Länderspiele in Bremen! Auch das bereits zugesagte EM-Qualifikationsspiel kann noch verlegt werden! Es dauerte gefühlt keine zwei Minuten, bis die rasiermesserscharfe Reaktion vom DFB kam auf den Vorstoß des Bremer Senats, künftig Polizei-Einsatzkosten bei heiklen Bundesligaspielen auf Werder abwälzen zu wollen. Die Wucht zeigt schon, dass es hier um mehr geht als um einen Sommerlochfüller aus dem klammen Bundesländchen. DFB und Proficlubs wollen keine Diskussion aufkommen lassen. Denn die wäre gefährlich: Auch wenn die Bremer juristisch auf dünner Scholle treiben (für die Sicherheit im öffentlichen Raum sind nicht die Bundesligisten zuständig) und sie auch auf Länderebene allein stehen, so polarisiert das Thema doch gewaltig. Beispiel gefällig? Bei einer nicht repräsentativen Spiegel-Online-Umfrage zu den hanseatischen Geldeintreibe-Plänen fielen bis Mittwochabend fast 75 Prozent der Stimmen auf die Auswahl, dass das eine "gute Idee" der Bremer sei. Ist es vielleicht auch - aus Sicht des Senats. Denn er demonstriert bundesweit, dass er kein Geld verschenken will und er sich auch mit Mächtigeren anlegen mag. Das ist grundsätzlich sympathisch. Nur die guten Argumente, die haben die Bremer Politiker nicht auf ihrer Seite. Und das Recht wohl auch nicht.
a.feichtner@volksfreund.de Extra
Die Reaktionen:Der Vorstoß der Bremer sorgte für eine schnelle Reaktion bei den Fußballfunktionären. Ligapräsident und DFB-Vize Reinhard Rauball kündigte an, künftig keine Länderspiele mehr im Weserstadion austragen zu wollen. Er wolle bei der Präsidiumssitzung am Freitag einen entsprechenden Antrag stellen. Auch das bereits nach Bremen vergebene EM-Qualifikationsspiel gegen Gibraltar (14. November) könnte noch in eine andere Stadt verlegt werden. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach: "Ich liege voll auf einer Linie mit Reinhard Rauball, was den Antrag betrifft, kein Länderspiel mehr nach Bremen zu vergeben." Die DFL bezeichnete den Bremer Vorstoß als "verfassungsrechtlich unhaltbaren Weg". dpa