Bevor das Christkindal kommt, wird in der Halle gebolzt und anschließend miteinander angestoßen. Der Vormittag des Heiligen Abends ist ein Pflichttermin für die Altreichenauer Fußballer, für den sie so manches Hindernis aus dem Weg räumen. Der eine muss sich extra Urlaub nehmen, der andere die Familie kurz vertrösten. Und Andi Prechtl? Der 34-Jährige reist mal eben von Singapur an, um - Jetlag hin oder her - dabei sein zu können. Eine Geschichte, die irre klingt. Und ja, sie ist es auch.
Was das Ganze noch interessanter macht: Eben jener Prechtl ist sowas wie ein Trainerguru, dessen Expertise und Herangehensweise quer über den Globus gefragt ist. "Ihn zeichnet vor allem sein taktisches Wissen aus. Aber auch seine Art der Vermittlung von technischen Lösungen. Da er selbst über herausragende technische Fähigkeiten verfügt, kann er den Spielern seine Ideen perfekt vormachen und davon überzeugen", beschreibt David Niedermeier von der Münchener Fußballschule den Waidler. Worte, die zeigen, dass der 34-Jährige das geschafft hat, wovon viele träumen: Er ist angekommen an der Spitze des Fußballs.
Wobei das noch nicht so ganz stimmt. Der Reihe nach. Andreas Prechtl und Fußball - das ist seit frühester Kindheit eine unzertrennliche Freundschaft. Wie so viele Gleichaltrige auch, drehte sich beim jungen Kerl aus Schindelstatt (Gmd. Jandelsbrunn) alles nur um das runde Leder, was bis heute geblieben ist. Über Freunde landete er bei der DJK Altreichenau, seinem Herzensverein. Nach dem Umzug nach München kickte er zudem für den ASV Dachau, mit dem er den Aufstieg in die Landesliga schaffte.
Diese Biographie ist - so ehrlich muss man sein - nichts Besonderes. Als Spieler, das gibt auch Prechtl selber zu, hat es eben nicht für mehr gereicht als 6. Liga. "Natürlich hatte auch ich - wie wohl viele andere Burschen auch - den Traum, Profifußballer zu werden", macht er deutlich. "Aber mir war schnell klar, dass es dazu nicht reichen wird." Doch da ist etwas, das der Waidler viel besser kann - und auch mit Fußball zu tun hat. Nämlich das Trainer-Dasein, das vermitteln taktischer und technischer Inhalte. Die Förderung und Entwicklung von Spielern.
"Andi war schon immer recht ehrgeizig. Deshalb überrascht es mich nicht, dass er das geschafft hat, was er sich auch vorgenommen hat." Diese Aussage stammt von Stefan Mittendorfer. Langjähriger Mitspieler von Prechtl in Altreichenau, dort einst auch Dauer-Abteilungsleiter und inzwischen Beisitzer. Der 38-Jährige kennt ihn den 34-Jährigen seit einer halben Ewigkeit. Er hat also hautnah verfolgen können, wie sich Prechtl nach oben gearbeitet hat. "Das, was er jetzt macht, hat er richtig gut aufgezogen. Ich bin mir sicher, dass er weiterhin viel Erfolg haben wird. Andi macht seinen Weg."
Um sein großes Ziel - Trainer im Profibereich - zu erreichen, war Andi Prechtl früh klar, dass er seine geliebte Heimat am Dreisessel verlassen muss. Dieses Opfer brachte er dann doch auch gerne. Er studierte zunächst in München Sport. Nach erfolgreichem Studium landete in der Münchener Fußballschule, wo er sich seine ersten Sporen verdiente. Weiter ging es im Nachwuchsbereich des FC Augsburg, wo er u.a. als Co-Trainer der Regionalliga-Truppe arbeitete.
Prechtl sah vieles, er hospitierte, er beobachtete, er analysierte - und er entwarf für sich nach und nach eine eigene (Trainings-)Philosophie. Das hört sich alles einfacher an, als es tatsächlich ist. Denn es gibt rund um das runde Leder nicht mehr so viel, das überhaupt neu entdeckt werden kann. Doch Andi Prechtl hat das scheinbar Unmögliche geschafft. Denn nicht umsonst ist er seit einiger Zeit damit beschäftigt, auf der ganzen Welt Fußballschulen nach seinen Ideen aufzubauen. "Er versucht stets sein Wissen als Trainer zu erweitern und ist immer auf der Suche nach neuen innovativen technischen sowie taktischen Ideen für sein Spiel", stellt David Niedermeier fest.
Doch was macht Andreas Prechtl, das so ankommt und gelobt wird? Er versucht seine Philosophie kurz und bündig zu erklären: "Egal ob Bundesliga oder A-Klasse: Man verliert ein Spiel nicht wegen einer falschen Taktik oder Formation, sondern wegen individuellen Fehlern. Deshalb gilt es diese auf der einen Seite zu minimieren und auf der anderen Seite, wenn sie der Gegner macht, auszunutzen." Auf die Praxis umgelegt bedeutet das, dass der 34-Jährige zu vermitteln versucht, dass jeder Spieler jederzeit Lösungen parat haben muss.
Gewisse technische Skills sind deshalb Grundvoraussetzungen im Repertoire des Fußballers - egal ob Schweinsklasse oder Champions League. Und genau hier krankt derzeit, so Prechtl, der deutsche Fußball. "Seit der Jahrtausendwende wird doch nur darauf geachtet, dass der Ball möglichst oft gepasst wird. Die Individualität geht komplett verloren." Dieser Ansatz war vor Jahren vielleicht noch der richtige, ist aber inzwischen längst überholt, weshalb der DFB hinterherhinke.
"Wir haben 20 Millionen Einwohner mehr als jedes andere Land in Europa, schaffen es bei einer WM aber nicht in die K.O.-Phase. Das spricht für sich", stellt der Waidler fest. "Letztlich kommen wir nur über unsere Breite, wegen den vielen Fußballern, zu Erfolgen. Eine Spitzenförderung haben wir nicht - so wie beispielsweise Kroatien mit seinen vier Millionen Einwohnern."
Zugegeben, Prechtls Ausführungen klingen etwas oberlehrerhaft. Das wird ihm aber nicht gerecht. Denn der A-Lizenz-Inhaber ist keinesfalls ein Typ Besserwisser. Vielmehr ein Besessener, dessen Gedanken fast ausschließlich um den Fußball kreisen. Der sich regelmäßig selbst hinterfragt und stetig an sich und seinen Ideen arbeitet. Insgesamt eine erfolgversprechende Gemengelage, weshalb David Niedermeier unterstreicht: "Wir sind überzeugt davon, dass er es in den Profibereich schaffen wird."