Der Fußball wird stetig weiterentwickelt. So gibt es seit der Saison 2023/24 eine entscheidende Anpassung beim Elfmeter, denn Torhüter müssen auf der Linie still stehen bleiben und dürfen keinen Kontakt mehr zum Schützen aufnehmen. Manchmal kann aber auch ein Schritt zurück ein Schritt in die Zukunft sein, denn die Wieder-Einführung der Zeitstrafe für den Amateurfußball ist deutschlandweit ein Thema. Drei von 21 Landesverbänden machen es bereits vor – wohl zweimal mit einer entscheidenden Anpassung.
Auf dem 4. Amateurfußball-Kongress Ende September diskutierte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit 276 Delegierten über die Zukunft des Amateurfußballs. An drei Kongresstagen auf dem DFB-Campus in Frankfurt am Main stand insbesondere der Spielbetrieb im Fokus. Die Delegierten priorisierten per Voting die wichtigsten Themen, die der DFB mit Handlungsempfehlungen in den Masterplan Amateurfußball aufnehmen möchte.
Die meisten Stimmen erhielt der Punkt "Ordnungen und Durchführungsbestimmungen flexibilisieren (z.B. Anzahl der Ein-/Auswechslungen, Zeitstrafen, Dauer von Sperren) und diese anschließend durch DFB und Landesverbände bundesweit harmonisieren". Der Status Quo im Jahr 2023 sieht nämlich so aus, dass die Landesverbände in Deutschland eigene Regeln aufstellen können. So gibt es mancherorts eine Sperre nach der 5. gelben Karte auch in der Kreisliga.
Die Verbände Bayern, Hessen und Saarland sind dagegen bei der Zeitstrafe der Vorreiter in Deutschland. Ende der 1980e-Jahre wurde die Zeitstrafe im Fußball bereits getestet, aber 1991 mit Einführung der Gelb-Roten Karte wieder im Archiv verstaut. Im Jugendfußball hat sich die Fünf-Minuten-Zeitstrafe über Jahrzehnte bewährt.
Mit der Zeitstrafe gibt es auch weitere Anpassungen, zumindest in Hessen und im Saarland. Während die Zehn-Minuten-Zeitstrafe in Bayern 2022 als weitere Verwarnungsstufe eingeführt wurde, gibt es in Hessen und im Saarland keine Gelb-Rote mehr. Sprich: Wer seinen Denkzettel abgegessen hat, kann danach nur noch mit Rot vom Platz fliegen. Warum Bayern weiter auf die Ampelkarte setzt, erklärte Sven Laumer, Schiedsrichter-Obmann im Verband, der Sportschau: "Wenn ein Spieler schon eine Zeitstrafe hatte und dann etwa bei einem Freistoß zu früh aus der Mauer rennt, wäre eine Rote Karte zu hart."
Die drei Verbände haben die Zeitstrafe zur Saison 2022/23 wieder eingeführt. Nach Ablauf der vergangenen Spielzeit zog der Bayerische Fußball-Verband (BFV) eine positive Bilanz. „Dieses breite Feedback, aber auch die ersten Zahlen zeigen, dass die Maßnahme als solche greift und im Spiel weitere Optionen geschaffen worden sind, um insbesondere Unsportlichkeiten zu ahnden. Der Ermessensspielraum ist größer geworden. Für Vergehen, bei denen eine Gelbe Karte zu wenig, aber eine Rote Karte zu viel wäre, kann jetzt eine Zeitstrafe ausgesprochen werden – das hat sich auch in der Praxis bewährt", betonte Laumer in einer Bilanz des BFV.
Die jüngeren Entwicklungen, beispielsweise im Amateurfußball von Nordrhein-Westfalen, würden eine Wieder-Einführung der Zeitstrafe bei den Senioren rechtfertigen. Wöchentlich kommt es in NRW zu Gewalttaten oder verbalen Entgleisungen, weshalb ein 10-minütiger Denkzettel durchaus dabei helfen könnte, die erhitzten Gemüter zu beschwichtigen. Auch der weitere Ermessensspielraum für die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter kann dem Spiel nur guttun.
In der Handlungsempfehlung des Amateurfußball-Kongresses geht es auch um die Vereinheitlichung des Regelwerks, weshalb sich hier auch erstmal wieder darüber geeinigt werden müsste, ob die Gelb-Rote-Karte beibehalten wird. Wahrscheinlich wäre die Einführung der Zeitstrafe mit dem Beibehalten der Ampelkarte sinnvoll, denn Laumers Beispiel zeigt, dass es viele Situationen gäbe, in denen eine Rote Karte zu hart wäre. Im Westdeutschen Fußballverband (WDFV) ist jede Rote Karte nämlich gleichbedeutend mit einer Sperre von zwei Spielen, die per Einzelfallprüfung vom Sportgericht beziehungsweise von der Staffelleitung auf ein Spiel reduziert werden kann. Aber das wäre beim Wegfall der Gelb-Roten Karte ein zusätzlicher, wohl unnötiger Aufwand.
Die deutschlandweite Einführung der Zehn-Minuten-Zeitstrafe scheint daher im Vergleich deutlich realistischer zu sein als eine einheitliche Spielordnung für alle 21 Landesverbände in der Bundesrepublik. Vielleicht heißt es denn zur Saison 2024/25 zurück in die Zukunft.