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„Power wusste nichts – aber wollte führen. Cassalette beobachtete, während ein machttrunkener Investor seine Marionetten tanzen ließ“, kommentiert Niedergünzl die Arbeit der einstigen 1860-Führung.
„Power wusste nichts – aber wollte führen. Cassalette beobachtete, während ein machttrunkener Investor seine Marionetten tanzen ließ“, kommentiert Niedergünzl die Arbeit der einstigen 1860-Führung. – Foto: Imago/MIS

Gastkommentar: „Cassalette möchte ein Opfer sein, doch er war Teil der Täterschaft“

Was ist das für ein Selbstbild?

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Cassalette kritisiert jüngst deutlich die Strukturen bei 1860 München und schoss gegen Ismaik. Doch er war Teil des Problems, meint Benedikt Niedergünzl. Ein Gastkommentar.

Und nun also Peter Cassalette. Ein Präsident, der auszog, die Löwen zu retten – und stattdessen half, sie in den Abgrund zu schieben. Der Mann, der im Rückspiegel ein diplomatisches Händchen erkennt, wo in Wahrheit eine lenkungslose Geisterfahrt stattfand. Der sich rühmt, mit Hasan Ismaik „freundschaftlich“ umgegangen zu sein, als sei das ein Verdienst und kein Fanal.

„Es gehört zur tragischen Folklore des TSV 1860, dass jedes Beben wie ein leises Donnern am Stammtisch beginnt.“

Benedikt Niedergünzl ist Unternehmer und Aktivist aus Kirchanschöring

Es gehört zur tragischen Folklore des TSV 1860, dass jedes Beben wie ein leises Donnern am Stammtisch beginnt. Cassalette aber war nicht nur am Tisch – er war derjenige, der den Bierkrug hob, während hinter ihm der Verein brannte. Und jetzt sitzt er wieder da, leicht entrückt, und erzählt von Lügen, Verleumdung, von der Undankbarkeit eines Vereins, der sich partout nicht helfen lassen wolle. Nur helfen konnte man sich mit ihm eben auch nicht.

Was bleibt vom Cassalette-Kurs? Ein tiefer Krater, gegraben aus Schuldenbergen und irrlichternden Personalentscheidungen. Über 20 Millionen Euro in einer einzigen Spielzeit verbrannt – verbrannt unter seiner Ägide. Das Präsidium: wachsweich. Der Geschäftsführer: ein Bodybuilder, Instagram-Rambo und T-Shirt-Designer – eine clowneske Allzweckwaffe im Dienste Ismaiks. Und Cassalette? Segnete das ab, mit dem Lächeln eines Mannes, der glaubte, man könne mit Höflichkeit Investorendynamit entschärfen.

„Anthony Power wusste nichts – aber wollte führen. Cassalette beobachtete, während ein machttrunkener Investor seine Marionetten tanzen ließ.“

Benedikt Niedergünzl.

Power hieß der Mann, Anthony Power. Allein der Name hätte warnen müssen. Er versprach: Planung, Struktur, Vision. Und antwortete auf konkrete Fragen mit vagen „Ich werde mich erkundigen“. Er, der Geschäftsführer eines Zweitligisten, wusste nicht, ob es 50 oder 100 Millionen seien, die sein Geldgeber zu investieren gedenke. Wusste nichts vom Gemeinnützigkeitspapier. Wusste nichts vom Strategischen Ausschuss. Wusste nichts – aber wollte führen.

Das war das Managementverständnis unter Cassalette: Der Mann, der lieber fragte, als antwortete. Der beobachtete, während ein machttrunkener Investor seine Marionetten tanzen ließ. Der für die Verweigerung der Entlastung durch die Mitglieder 2017 nicht etwa Selbstkritik empfand, sondern Schmähgesänge auf der Wiesn beklagt.

Was ist das für ein Selbstbild? Cassalette imaginiert sich als tragischer Held, verfolgt von Intriganten, gejagt von der eigenen Fanbasis. Doch in Wahrheit war er ein willfähriger Vollstrecker eines Systems, das nichts mit Vision, aber viel mit Vasallentreue zu tun hatte. „Ich war keine Marionette“, sagt er. Das sagen sie alle. Das sagen auch Puppen, wenn sie vergessen haben, wo die Fäden verlaufen.

„Kein seriöser Präsident hätte sich so willenlos einer dubiosen Investorenclique ergeben. Kein klardenkender Fan hätte diesen Kurs als alternativlos akzeptiert.“

Benedikt Niedergünzl über Ex-1860-Präsident Peter Cassalette.

Sein abschließendes Urteil über 1860 klingt wie ein Nachruf: „Kein seriöses Unternehmen macht das mit.“ Mag sein. Aber was Cassalette übersieht: Kein seriöser Verein hätte diese Spielzeit so durchgezogen. Kein seriöser Präsident hätte sich so willenlos einer dubiosen Investorenclique ergeben. Kein klardenkender Fan hätte diesen Kurs als alternativlos akzeptiert – es sei denn, man hat aufgehört, zwischen Verantwortung und Devotion zu unterscheiden.

Fazit: Cassalette möchte ein Opfer sein, doch war in Wahrheit Teil der Täterschaft. Er spricht von Kulturwandel – dabei war er selbst Kulturverwerfer. Seine Replik auf die Misere ist kein Aufarbeiten, sondern ein Abwälzen. Ein Abgesang auf das eigene Versagen, dargeboten mit der Grandezza eines Mannes, der nicht merkt, dass das Publikum längst gegangen ist.

Und wenn Cassalette heute also noch immer sagt, der Kurs mit Ismaik sei „alternativlos“ gewesen, dann bleibt nur eine bittere Pointe: Wer glaubt, Gehorsam sei Diplomatie, wird immer dort enden, wo der TSV 1860 2017 stand – in der Regionalliga, mit einem Schuldenberg, einem gescheiterten Projekt, und einer Präsidentenruine, die sich selbst für standhaft hält.

„11 für 11“ – das ist kein Märchen, das ist die ernsteste aller Geschichten, weil sie von denen erzählt wird, die bleiben, wenn alle Präsidenten gegangen sind.

Benedikt Niedergünzl über 1860 München.

Und dann fällt diese kleine, beiläufige Bemerkung über den „Schwachsinn“ des Modells „11 für 11“. Als wäre es eine naive Träumerei, nicht der ernsthafteste Versuch seit Jahren, die Zerreißprobe zwischen Verein und Investor mit einem neuen Gesellschaftsmodell aufzulösen. Was Cassalette als Unsinn abtut, ist in Wahrheit ein leiser Aufstand. Ein wirtschaftlicher Rettungsring, geworfen aus der Mitte des Vereins. Kein Spektakel, kein Heilsversprechen – aber ein Bekenntnis zur Eigenständigkeit. Die Fans zahlen keine Schulden mit Applaus – aber sie investieren Vertrauen, wenn man sie lässt.

„11 für 11“ – das ist kein Märchen, das ist die ernsteste aller Geschichten, weil sie von denen erzählt wird, die bleiben, wenn alle Präsidenten gegangen sind. (Benedikt Niedergünzl)

Aufrufe: 018.4.2025, 12:54 Uhr
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