2024-11-11T09:02:23.060Z

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„Lok-Führer“ Jochen Seitz hat den Leipziger Traditionsverein an die Tabellenspitze geführt LOK LEIPZIG
„Lok-Führer“ Jochen Seitz hat den Leipziger Traditionsverein an die Tabellenspitze geführt LOK LEIPZIG – Foto: LOK LEIPZIG

Haching-„Turbo“ Seitz mischt den Osten auf

Im ersten Bundesliga-Jahr der SpVgg Unterhaching (Saison 1999/2000) war Jochen Seitz (heute 47) in allen 34 Spielen am Ball, erzielte sechs Tore und trug sich mit der Flanke in die rot-blauen Geschichtsbücher ein, die Markus Oberleitner im „Meistermacher-Spiel“ zum 2:0 gegen Bayer Leverkusen einköpfte. Jetzt mischt der Unterfranke den Fußball-Osten auf – als Trainer des Regionalligisten 1. FC Lokomotive Leipzig.

Unterhaching – Diese Folge der Haching-Serie beginnt mit einem kleinen, ganz persönlichen Erlebnis. Es war der 24. Oktober 1997, ein Freitagabend. Die SpVgg, damals noch Zweitligist und von der Bundesliga ganz weit entfernt, empfing das Team aus Jena. Gut eine Stunde vor Spielbeginn stand am Aufgang zur Geschäftsstelle ein junger Mann, der gerade mit einem Ordner diskutierte. „Ich bin der neue Spieler, soll da oben meine Karte abholen“, erklärte er.

Erfolgreich am Ball: Jochen Seitz in seiner Zeit bei der  SpVgg Unterhaching.
Erfolgreich am Ball: Jochen Seitz in seiner Zeit bei der SpVgg Unterhaching. – Foto: imago/Bernd Müller

So ganz überzeugend wirkte das offenbar nicht, der Wachmann war sichtlich hin- und hergerissen, wie er mit dem Spieler, den er nicht kannte, verfahren soll. Ich wusste, dass die Hachinger einen Neuen erwarteten, der gerade erst vom Hamburger SV (da kam er unter Felix Magath auf vier Bundesligaeinsätze, spielte aber überwiegend in der Zweiten) verpflichtet worden war. „Du bist Jochen Seitz – oder?“, fragte ich ihn. Damit waren der Ordner überzeugt und die ersten Schritte des Mannes im Sportpark ermöglicht, der eine Woche später, beim 1:1 in Frankfurt, seine Premiere im rot-blauen Trikot feierte.

Dabei wäre der Wechsel beinahe an einem anderen Transfer gescheitert: Trainer Lorenz Köstner, der den Stürmer unbedingt haben wollte, war zum 1. FC Köln gewechselt und durch Willi Entenmann (†2012) ersetzt worden. Daher zog es sich fast zwei Monate hin, bis der Aschaffenburger (für eine Ablöse von 80 000 Mark) endlich unterschrieben hatte. Es zahlte sich aus: Der pfeilschnelle Flügelspieler mit der Rückennummer 11 lief bis zum Sommer 2000 90 Mal für Haching auf (34 Mal davon in der Bundesliga) und erzielte zwölf Tore. Er war ein ganz wichtiger Baustein der Mannschaft in der Bundesliga und zuvor schon in der Aufstiegssaison, schoss im März 1999 beim 1:0 in Hannover das schönste Saisontor und sicherte sich zudem einen Platz in der illustren Schafkopfrunde seines Zimmerkollegen und Freundes Oberleitner.

Mit dem Jochen wären wir vielleicht nicht abgestiegen.

Lorenz Köstner (Ex-Trainer Haching)

Nach dem ersten Jahr und dem sensationellen 10. Platz im Oberhaus verließ „Turbo“ Seitz, inzwischen absoluter Leistungsträger und vierfacher A2-Nationalspieler, die SpVgg und heuerte beim VfB Stuttgart an, für den er 74 Mal in der Bundesliga spielte. Ein Wechsel, der Haching richtig weh tat. Noch heute sagt der damalige Trainer Köstner: „Mit dem Jochen wären wir vielleicht nicht abgestiegen.“

Schalke 04, Kaiserslautern, Hoffenheim und Alemannia Aachen waren seine weiteren Profi-Stationen in Deutschland, ehe er nach zwei Jahren bei Krassimir Balakovs bulgarischem Erstligisten Chernomorets Burgas seine aktive Karriere daheim beim unterfränkischen FC Bayern Alzenau beendete. Hier legte der zweifache Vater (Emma/20 und Patrick/18) schon mal als A-Jugend- und „Aushilfs-Spielertrainer“ den Grundstein für eine erfolgreiche Trainer-Karriere, die er dann von 2016 bis 2023 beim SV Viktoria Aschaffenburg so richtig begann und erfolgreich weiterführte. 2018 stieg der Fußball-Lehrer mit den Franken in die Regionalliga auf, hielt den Verein dort, bis er seine Trainer-Tätigkeit im Sommer 2023 nach sieben Jahren beendete, um sich einer neuen Herausforderung zu stellen.

Der Hachinger „Meistermacher“ mit seiner Familie. V.l: Tochter Emma, Ehefrau Anna, Jochen und Sohn Patrick PRIVAT
Der Hachinger „Meistermacher“ mit seiner Familie. V.l: Tochter Emma, Ehefrau Anna, Jochen und Sohn Patrick PRIVAT – Foto: Seitz

Die gute Arbeit des Ex-Hachingers sprach sich herum. Nach der Entlassung von Maurizio Jacobacci Ende 2023 war Seitz auch als Trainer bei 1860 München im Gespräch. Wäre vielleicht für die „Löwen“ gar keine so schlechte Lösung gewesen, wie sich jetzt in Leipzig herausstellt: Seit Sonntag steht er mit dem Traditionsverein 1. FC Lok Leipzig (spielte als VfB Leipzig in der Saison 1993/94 ein Jahr in der Bundesliga) in der Regionalliga Nordost sensationell auf Platz eins.

Die Sachsen, die den Franken zur aktuellen Saison als neuen Chef-und Wunschtrainer verpflichtet hatten, um den Club (nur Zehnter am Ende der Saison 2023/24) nach einem großen Umbruch zurück in die Erfolgsspur zu bringen, sind aktuell der einzige Verein der Liga ohne Niederlage (sechs Siege, zwei Unentschieden) und haben nach den beiden Last-Minute-Siegen gegen den FSV Zwickau (3:2, Siegtor in der 93. Minute) und am Sonntag vor über 10 000 Zuschauern im Topspiel bei Carl Zeiss Jena (1:0 durch einen Treffer in der 94. Minute) erstmals die Tabellenführung übernommen. Dank Seitz dürfen die Fans jetzt sogar von der 3. Liga träumen. „Wenn du so ein Spiel gewinnst, steigst du auf“, sagte Zwickaus Trainer-Fuchs Ricco Schmitt (55) nach der Niederlage bei der Seitz-Truppe.

Die Jungs glauben an das, was wir ihnen vorgeben, sie laufen und marschieren, sie dürfen jetzt aber keinen Schritt weniger machen.

Jochen Seitz (Trainer Lok Leipzig)

Wird der Hachinger Meistermacher auch bei den Blau-Gelben aus dem Leipziger Stadtteil Probstheida zum Meistermacher? Das ist für den fränkischen „Lok-Führer“ kein Thema. Er war nie ein Sprücheklopfer, blieb und bleibt immer schön am Boden: „Es läuft momentan super und Platz eins ist ein schönes Ausrufezeichen, mit dem keiner rechnen konnte. Aber vom Aufstieg reden wir nicht, das war auch nie die Zielvorgabe.“ Das Geheimnis des derzeitigen Erfolgs: „Wir haben ein klares Konzept, wollen eine Mannschaft entwickeln und voranbringen. Die Jungs glauben an das, was wir ihnen vorgeben, sie laufen und marschieren, sie dürfen jetzt aber keinen Schritt weniger machen.“

Seitz hatte in seiner langen Karriere viele und namhafte Trainer – was nimmt man da für die eigene Laufbahn mit? „Von jedem etwas“, verrät er. „Felix hat großen Wert auf Disziplin und Fitness gelegt, Köstner auf die defensive Stabilität, Ralf Rangnick viel auf Taktik und Jupp Heynckes auf das Passspiel. Aber dann muss man seinen eigenen Weg finden.“

Sein Hachinger Ex-Coach ist sicher, dass er den bereits eingeschlagen hat: „Jochen kommt seine jahrelange Erfahrung in der Regionalliga Bayern zugute. Da hat er Aschaffenburg zu einer Spitzenmannschaft gemacht, jetzt ist Leipzig die nächste Station auf seinem weiteren Weg zum erfolgreichen Trainer“, sagt Köstner. Und wo führt dieser Weg seinen ehemaligen Schützling hin? „Da ist nach oben alles offen…“ (THOMAS ERNSTBERGER)

Aufrufe: 018.9.2024, 04:00 Uhr
Thomas ErnstbergerAutor