2024-12-11T17:22:45.183Z

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Joshua Koj von der SpVgg Horsthausen outete sich 2021 als Trans-Mann.
Joshua Koj von der SpVgg Horsthausen outete sich 2021 als Trans-Mann. – Foto: Tom Vieth

Interview: Herner Trans-Spieler über Outing, Kabine und Beleidigungen

"Nur weil ich ein Trans-Mann bin, heißt es nicht gleich, dass ich ein besserer Fußballspieler bin."

Joshua Koj (26) aus Castrop-Rauxel spielt sein Leben lang Fußball. Vor drei Jahren outete sich Joshua bei seiner Mannschaft, der SpVgg Horsthausen, als Trans-Mann, denn er wurde als Frau geboren. Im Gespräch mit Tom Vieth von FuPa Westfalen spricht Joshua Koj über Details zu seinem Outing, Diskriminierung auf dem Fußballplatz und seine Zukunft im Männerfußball.

FuPa Westfalen: "Hi Joshua! Seit 2020 spielst du bei der SpVgg Horsthausen. Wo hast du vorher gespielt?

Joshua Koj: "Vorher war ich bei Westfalia Huckarde in Dortmund, davor bei Blau-Weiß Huckarde und in Frohlinde."

FuPa Westfalen: "Wann kam der Zeitpunkt in deinem Leben, als du gemerkt hast, dass du dich in deinem Körper nicht wohl fühlst?"

Joshua Koj: "Es war schon immer irgendwie da, dass irgendetwas anders ist. Ich habe als Kind immer Jungsklamotten getragen und mehr mit Jungs gemacht. Das muss aber nicht etwas heißen, für mich hatte es auch keine Bedeutung. Dann wurde ich älter und es gab die ersten Probleme. Ich hatte den Eindruck 'So wie ich bin, bin ich falsch‘ und 'Ich muss mich mehr anpassen und mehr Frau sein‘. Diese Widerstände habe ich immer beiseitegeschoben, weil ich dachte 'Das darf nicht sein, das geht nicht, das ist nicht in Ordnung'. Irgendwann bin ich auf das Thema Trans gestoßen und habe mich damit auseinandergesetzt. Und in der Corona-Zeit habe ich dann einfach gemerkt, dass ich trans bin."

FuPa Westfalen: "Aber einen Schlüsselmoment gab es nicht?"

Joshua Koj: "Gerade in der Pubertät hatte ich das innere Gefühl, dass mir meine Entwicklung nicht passt und mir nicht gefällt, aber ich konnte das damals nicht in Worte fassen."

FuPa Westfalen: "Wann war dein Outing? Wer hat davon zuerst erfahren?"

Joshua Koj: "Als aller erstes habe ich mit meiner besten Freundin darüber gesprochen. Das war ein sehr langes Gespräch, da sind wir zwei oder drei Stunden durch die Gegend gelaufen, bis ich es geschafft habe, das einmal auszusprechen. Ich weiß heute gar nicht, warum mir das damals so schwer gefallen ist. Dann habe ich mich bei ihrer und meiner Familie geoutet und danach bei meiner Fußballmannschaft."

FuPa Westfalen: "Wann war deine Mannschaft an der Reihe?"

Joshua Koj: "Das müsste 2021, kurz vor Saisonende gewesen sein. Da habe ich lange überlegt, wann und wie ich es mache. Ich wollte es auf jeden Fall vor der Mannschaftsfahrt machen, nicht, dass während der Fahrt noch jemand Probleme damit hat.

Ich habe dann mit dem damaligen Trainerteam gesprochen und erstmal gefragt, ob ich dann weiterspielen kann oder nicht und wie ich es am besten machen. Es gab dann eine Trainingseinheit, da waren fast alle da und nach dem Training, in der Kabine, hat unser Trainer noch einmal alle versammelt. Ich habe erst wieder herumgestammelt, irgendwann habe ich aber gesagt, was Sache ist.

Es war gar kein Problem. Ich wusste gar nicht, warum ich so Sorgen hatte, weil ich wusste, die Mannschaft ist total offen. Ich weiß ja, wie alle ticken und dass es alle akzeptieren werden. Aber die Sorge, dass jemand was sagt, war trotzdem da."

FuPa Westfalen: "Kurz nach deinem Outing hat es mit Sicherheit ein paar Einzelgespräche mit deinen Teamkolleginnen gegeben. Wie fielen die aus?"

Joshua Koj: "Ich habe vorher schon mit zwei, drei Kolleginnen gesprochen, damit ich auch eine Art 'Back-Up' habe. Ich habe viele positive Rückmeldungen bekommen, dass es total mutig war vor so vielen Leuten. Das Wort 'mutig' finde ich aber schwierig, weil das ist halt so wie ich bin. Die Leute sollen am Anfang einfach Bescheid wissen, wenn es noch nicht ganz offiziell ist. Die positive Bestätigung war aber wirklich schön, dass so viele hinter mir stehen, sollte es Probleme geben."

FuPa Westfalen: "Wie ist danach im Verein, aber auch über den Verein hinaus, angekommen?"

Joshua Koj: "Ich interagiere nicht all zu viel im Verein, ich bin eher der zurückhaltende Typ. Aber es gab da nie Probleme. Als ich dann die Unterlagen zur Personenstandänderung hatte und die weitergeben konnte, lief das nach kurzer Wartezeit auch problemlos. Es wird eigentlich von allen akzeptiert.

Anfangs war es erst schwer mit den Pronomen und den Namen. Aber dass man den Namenswechsel zuerst nicht immer hinbekommt, ist völlig in Ordnung, weil es braucht ja auch die Umstellung. Auch im Training und im Spiel mit den Mädels war es nicht schlimm, weil man aus Gewohnheit den Namen sagt. Dass sie es dann aber echt schnell drauf hatten, hat mich echt gefreut."

FuPa Westfalen: "Wann hat bei dir die Transition angefangen?"

Joshua Koj: "Ich habe nach einer Begleittherapie gesucht, das hat relativ lange gedauert. Ich habe auch im Umkreis nichts gefunden und fahre für die Transition nach Düsseldorf. Das ist dafür auch das nächste, aber ich fühle mich da ganz wohl. In Düsseldorf habe ich 2022 mit der Transition und im selben Sommer die geschlechtsangleichende Hormontherapie begonnen. Dann habe ich die ersten Anträge vorbereitet. Die Personenstandsänderung hat etwas gedauert, weil man viel einreichen muss. Man bekommt einen Gutachter zugeteilt, muss die Gespräche führen, die müssen ihr Gutachten ans Amtsgericht schicken. Aber es ging tatsächlich schneller als ich dachte und soweit auch ohne Probleme. Im Februar 2023 war das Ganze das auch durch."

FuPa Westfalen: "Was hat sich seit deiner Transition und Hormontherapie im Fußball verändert?"

Joshua Koj: "Es gab da mal eine Situation mit einem Schiedsrichter. Ich bin in der Halbzeitpause aufs Klo gegangen, da sind wir uns kurz begegnet. Nach dem Spiel habe ich dann erfahren, dass er eine Spielerin von uns angesprochen hat, dass man mir mitteilen soll, dass ich auch die richtige Toilette benutzen soll. Das fand ich sehr uncool. Er hätte auch einfach mich ansprechen können oder es einfach dabei belassen können.

Das hat mich schon sehr verunsichert, weil es Frauenfußball ist und dann erwartet man, dass Frauen spielen. Dann dachte ich mir 'Was mache ich jetzt? Wie ist mein passing? Welche Toilette benutze ich jetzt?' Weil ich ja eigentlich ein Mann bin und aufs Männerklo gehe, aber im Frauenfußball von mir erwartet wird, dass ich auf die Frauentoilette gehe. Gerade damals, als ich mir nicht so sicher war, hatte ich Sorge, dass ich etwas falsch mache oder etwas von Gegenspielerinnen oder vom gegnerischen Trainer kommt.

Es gab da auch zwei, drei Geschichten, die ich gehört habe. Ich habe einmal den Kommentar abbekommen, dass ich im Frauenfußball nichts mehr zu suchen hätte. Das finde ich fies, weil nur weil ich ein Trans-Mann bin, heißt es nicht gleich, dass ich ein besserer Fußballspieler bin. Klar, ich musste damit irgendwie rechnen, was auch ein wenig schade ist, weil ich wusste, dass ich noch etwas länger bei den Frauen spielen werde.

Trotzdem hätte ich mir da ein bisschen mehr Akzeptanz gewünscht. Ich habe mir oft Gedanken gemacht, was passieren könnte. Das hat ein wenig gedauert, bis ich das abstellen konnte. Aber es war insgesamt sehr viel positives dabei."

FuPa Westfalen: "Mehr positives?"

Joshua Koj: "Wenn es einfach so hingenommen wird, ist es schon positiv, aber es sollte ja eigentlich auch so sein, dass es selbstverständlich ist."

FuPa Westfalen: "Rutscht in der Frauenkabine mal die ein oder andere transphobe Bemerkung raus?"

Joshua Koj: "Nein, gar nicht. Ich habe auch das Gefühl, dass der Frauenfußball viel offener ist. Solche Sprüche fallen da einfach nicht. Frauen sind da, glaube ich, schon etwas sensibler, dass wir solche Themen einfach nicht als Beleidigung verwenden. So etwas ist gar kein Thema."

FuPa Westfalen: "Wenn etwas negatives kam, dann von wem? Zuschauer, Trainer, Gegenspielerinnen?"

Joshua Koj: "Ich bekomme im Spiel nicht viel mit, da konzentriere ich mich einfach auf die Partie. Da bin ich im Tunnel und es interessiert mich einfach nicht. Der Kommentar, dass ich im Frauenfußball nichts zu suchen hätte, kam von der gegnerischen Bank. Das war echt blöd. Dann habe ich einfach nur auf den Seitenwechsel gewartet, weil ich wusste, dass ich dann weg war. Ich hab es versucht auszublenden, aber es macht trotzdem etwas mit mir, weil ich mir schon die Frage stelle, ob ich etwas richtig oder falsch mache oder ganz aufhören sollte. Aber es gibt ja die Gründe, warum ich im Frauenfußball geblieben bin."

FuPa Westfalen: "Gab es Schwierigkeiten, was das Regelwerk betrifft, dass du nicht hättest mitspielen dürfen?"

Joshua Koj: "Nein, zum Glück gab es nach der Änderung keine Probleme. Ich hab da mit meinem Trainer gesprochen. Er meinte, ich darf spielen, dann spiele ich auch."

FuPa Westfalen: "Da spielen auch deine Hormone keine Rolle?"

Joshua Koj: "Nein. Es hat erstmal sehr lange gedauert, bis sich überhaupt etwas verändert hat. Ich merke jetzt schon, dass ich kräftiger und sportlicher geworden bin. Aber ein wirklichen Vorteil merke ich nicht. Es ändert auch nichts an meinem fußballerischen Können. Maximal an meiner Fitness, aber dafür muss man dennoch etwas tun."

FuPa Westfalen: "Im Interview mit der WAZ hast du erzählt, dass du seit längerer Zeit nicht mehr gespielt hast. Wie kommt’s?"

Joshua Koj: "Ich habe mir im vorletzten Auswärtsspiel wahrscheinlich einen Muskelfaserriss zugezogen und bin leider für die Spiele gegen Bochum und Dortmund ausgefallen. Ich hätte mir gerne einen anderen Abschluss vorgestellt und ein letztes Spiel mit meinen Kolleginnen gehabt, wo ich auch weiß, dass es das letzte Spiel sein wird."

FuPa Westfalen: "Du wirst also gehen. Was sind deine Zukunftspläne?"

Joshua Koj: "Ich wollte eigentlich aufhören, ich vermisse es aber jetzt schon und überlege, mir jetzt schon einen Verein zu suchen. Ich würde gerne im Männerfußball spielen. Da habe ich aber schon die Sorge, wie es ankommt, ob ich es offen anspreche, weil man ja immer gefragt wird, wo man vorher gespielt hat. Wenn eine Mannschaft damit aber Probleme hat, weiß ich immerhin Bescheid, dass es die falsche Mannschaft für mich ist. Es ist dieses 'Neue'.

Ich habe auch Sorge, den Anschluss nicht zu finden, weil es natürlich ein Unterschied zwischen Frauen- und Männerfußball ist und ich weiß genau, wo ich Anschluss finden kann und was mein Niveau ist. Das müsste ich testen.

Ich lege aber jetzt erstmal eine Pause ein. Ich wollte noch die ein oder andere Sportart testen. Ich helfe nun auch im Trainerteam mit. Mal schauen, ob ich mich auf die Trainerrolle einlassen kann und mich die Mannschaft auch so annimmt."

FuPa Westfalen: "Denkst du, deine Sorgen liegen an einem neuen Umfeld oder liegt es vielleicht am vergleichsweise weniger progressiven Männerfußball?"

Joshua Koj: "Ich glaube, es liegt auch am Männerfußball. Wenn man manchmal mitbekommt, wie sich dort benommen wird. Es ist nicht in allen Vereinen so, aber man erlebt es einfach häufiger. Es ist nicht mein Fall, so bin ich auch einfach nicht. Da würde ich nie reinpassen.

Ein Freund von mir hat das Fußballspielen aufgehört, weil es ihn genervt hat, dass es nur ums Saufen ging, um es mal so zu sagen. Ich bräuchte eine Mischung aus einer Mannschaft, die Spaß am Kicken hat und mit der man auch neben dem Platz was machen kann. Aber es soll der Spaß am Sport einfach im Mittelpunkt stehen."

FuPa Westfalen: "Danke für das Interview, Joshua!"

Joshua Koj: "Danke auch."

Aufrufe: 028.6.2024, 16:23 Uhr
Tom ViethAutor