2025-04-02T15:12:16.030Z 1743889920132

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Da ist das Ding! Die Amputierten-Fußballer des FSV Mainz 05 um die Trainer Jürgen Menger, Jörg Schmidtke und Detlef Boche mit der Meisterschale bei der Siegerehrung in Berlin.	Foto: Imago/Matthias Koch
Da ist das Ding! Die Amputierten-Fußballer des FSV Mainz 05 um die Trainer Jürgen Menger, Jörg Schmidtke und Detlef Boche mit der Meisterschale bei der Siegerehrung in Berlin. Foto: Imago/Matthias Koch

Mainz 05 holt die Meisterschale

Amputierten-Fußballer bejubeln in Berlin den Titel +++ Siegtorschütze erklärt, was dem Team der Triumph bedeutet

Berlin. In der Nähe des weltberühmten Ku’damms feierten sie. Mit Medaillen und der runden Trophäe. Die Amputierten-Fußballer des FSV Mainz 05 in großer Partylaune. Sie holten am Wochenende die Meisterschale an den Bruchweg, siegten beim deutschen Finalturnier in Berlin, jubelten nach einem 1:0-Erfolg im Endspiel gegen den Hamburger SV.

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„Ein großartiges Ereignis“, sagt Christian Heintz, der kurz nach der Halbzeitpause den entscheidenden Treffer erzielte. „Wir tragen das Logo von Manz 05 mit Stolz auf der Brust, es war sehr schön, unter dem Dach von 05 den Titel zu erringen.“ Attraktiver Nebeneffekt: In der kommenden Saison starten die vom ehemaligen 05-Spieler Jürgen Menger trainierten Mainzer beim Champions-League-Turnier, treffen auf die Meister aus Polen, Türkei, England oder Spanien. Verdient und eigentlich auch logisch, dass der Titel in diesem Jahr unter den sechs deutschen Mannschaften an die 05er ging. Denn nach der normalen Runde mit drei Spieltagen, an denen jeweils jeder gegen jeden spielte, startete die Mainzer Auswahl als Tabellenführer ins Finale, das im Mommsenstadion als Play-off-Turnier ausgetragen wurde.

Im Halbfinale siegten die 05er gegen Anpfiff Hoffenheim mit 4:3 nach Verlängerung. Drei der vier Treffer erzielte dabei Heintz, der in der gesamten Saison auf 19 Tore kam, damit auf Platz zwei der Torjägerliste landete. „In der Torjäger-Rolle fühle ich mich wohl“, sagt er schmunzelnd.

Mehr Teams erwünscht

Heintz’ Rolle neben dem Platz: Geschäftsführer der DAFL, dem Dachverband der Amputierten-Fußballer. In dieser Funktion denkt er an die nächsten Schritte, an die Suche nach Unterstützern und Sponsoren. „Es wäre schön, wenn wir in den nächsten Jahren bundesweit auf acht bis zehn Teams kämen.” Aktuell laufen Gespräche mit dem 1. FC Nürnberg. Und auch im Kampf um Aufmerksamkeit und Unterstützung gilt es für den Stürmer, am Ball zu bleiben.

Fortuna Düsseldorf, Anpfiff Hoffenheim, TeBe Berlin, Hamburger SV und Sportfreunde Braunschweig – das sind neben Mainz die bisherigen Standorte in Deutschland. Bei 05 existiert die Abteilung seit anderthalb Jahren, kam über den Kontakt zu Werner Homberger, einem der Fanbeauftragten, zustande. „Klar, wir profitieren von den Vereinen, unter deren Dach wir spielen“, sagt Heintz, „aber wir wünschen uns mehr.“ In welchem Bereich? „Öffentlichkeitsarbeit, nicht nur wenn wir Meister werden, und finanzielle Unterstützung.“ Der 40-Jährige stellt klar: „Uns ist bewusst, dass wir nicht der Nabel der Fußball-Welt sind, wir wollen auch kein Geld verdienen.“ Aber: „Die Rahmenbedingungen könnten sich verbessern, vielleicht könnte es auch Fahrtgeld für die Anreise der Spieler zum Training geben.“

Denn die Spieler der 05er kommen aus dem Saarland, Hessen, Baden-Württemberg und – natürlich – Rheinland-Pfalz. Wenn sich die 05er in der Champions League mit sieben anderen Meistern bei einem Turnier an einem verlängerten Wochenende messen (Ort und Datum stehen noch nicht fest), fallen Reise- und Startgeldkosten an. In Berlin übernahmen die 05er die Hotelkosten, stellten einen Neunsitzer für die Anfahrt. „Wir sind 05 super-dankbar, wollen den Verein auch keinesfalls an den Pranger stellen”, betont Heintz. „Wir sind sehr positiv gestimmt, dass wir weiter sehr gut unterstützt werden.” Vielleicht auch bei der Organisation: „Es wäre schön, wenn wir nächste Saison am Bruchweg ein Heimturnier austragen könnten.”

Mit vier Spielern und einer Spielerin – Nicola Roos, der bundesweit bislang einzigen aktiven Frau – stellen die Mainzer fünf Mitglieder der Nationalmannschaft, die die WM 2026 in Costa Rica als Fernziel hat. Das Spielen ist mehr als Fußball, erklärt Christian Heintz: „Ich kann da für alle sprechen: Der Sport hat uns geholfen, das Schicksal zu verarbeiten.” Dem 05-Torjäger, der einst als „Zweibeiner“ (O-Ton Heintz) für den Verbandsligisten SG Alfbachtal spielte, musste 2010 nach einem Autounfall der rechte Unterschenkel amputiert werden. „Klar, geht es um Sieg oder Niederlage. Aber die Verarbeitung ist ein wichtiger Punkt.” Alle zwei Wochen treffen sich die 05er in Essenheim zum Training, im Alltag trainieren sie bei „Zweibeinern” mit, Heintz ist dann beim B-Ligisten DJK Balzfeld am Ball.

Dass Amputierten-Fußballer auch mit Vorurteilen zu kämpfen haben, beweist Heintz’ Auftritt beim Champions-for-Charity-Event in der Mannschaft von Dirk Nowitzki in der Leverkusener Arena. Nach dem Aufwärmen wollte ihn der Platzwart einst nicht spielen lassen. Der Grund: Die Krücken würden den Rasen zerstören. „Ich musste mit Engelszungen auf ihn einreden und ihm erklären, dass das nicht der Fall sein wird.” Nach mehr als zehn Minuten Überzeugungsarbeit gab es dann doch noch grünes Licht. Zum Glück gibt es andere Menschen, denen Inklusion wichtiger ist als Rasenpflege. Und Vereine, die den Amputierten-Fußball fördern.



Aufrufe: 016.10.2024, 06:00 Uhr
Peter SchneiderAutor