Zwei Jahre hat Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus (63) eine Jugend-Mannschaft des TSV Grünwald trainiert. Doch nun hat er keine Lust mehr, weil sich einige Eltern immer wieder eingemischt haben. Im Interview erklärt der Weltmeister von 1990, warum er einen Schlussstrich gezogen hat – und wie die Eltern reagierten.
Herr Matthäus, warum haben Sie Ihr Amt als Jugendtrainer beim TSV Grünwald aufgegeben?
Am Ende hat es mir keinen Spaß mehr gemacht, obwohl es mir lange sehr viel Spaß gemacht hat – nicht nur wegen meines Sohnes, auch wegen der anderen Kinder. Wir waren erfolgreich, alles in Absprache mit dem Verein und den Eltern, die ich am Anfang ganz klar gefragt habe: Wollen wir Breitensport machen oder vielleicht doch nach Ergebnissen gehen? Die Entscheidung war klar: Wir haben alles möglich gemacht, um die Kinder erfolgreicher zu machen.
Und der Erfolg hat sich eingestellt.
Ich habe von Anfang an gesagt, ich bin nicht dafür da, die Kinder zu unterhalten, wenn die Eltern einen Kaffee trinken gehen – das ist in Grünwald nämlich auch nicht nur ein Klischee, sondern durchaus üblich. Wir haben professionell trainiert. Das war sicher intensiver als in anderen E- und D-Jugenden. Wir sind Erster geworden, in die D-Jugend gekommen, haben dort eine Klasse höher gespielt. Natürlich hat man dann auch Veränderungen. Man steigt auf, braucht einige neue Spieler, um gute Ergebnisse zu erzielen. Die, die dann hinten runter fallen, mussten aber nicht gehen, sondern wurden auf andere Teams im Verein verteilt. So haben auch diese Jungs mehr Spielzeit bekommen. Wir wollten sie nicht verlieren.
„Ich habe sehr viel Zeit geopfert – aber als die Eltern untereinander mit Beleidigungen auf sich los gegangen sind, war es zu viel.“
Lothar Matthäus
Sie hatten also die talentiertesten Jungs – und somit die ehrgeizigsten Eltern?
Als wir in die Bezirksoberliga aufgestiegen sind – mit einem Kern von Grünwalder Spielern – wurde es immer schlimmer. Am Anfang waren es nur Rufe vom Spielfeldrand der Eltern: „Lauf schneller! Mach dies! Mach das!“ Schon da habe ich gesagt, dass ich das nicht brauche. Ich mache den Job trotz meiner vielen Reisen gerne, inklusive drei Mal Training und einem Spiel pro Woche. Ich habe sehr viel Zeit geopfert – aber als die Eltern untereinander mit Beleidigungen auf sich los gegangen sind, war es zu viel.
Wurden auch Sie beleidigt?
Sie haben mich schon angerufen und gefragt: Warum spielt der mehr als mein Sohn? Warum spielt der auf der Position und ein anderer nicht? Ich habe immer gesagt: Es ist doch klar, dass die Luft ein bisschen rauer wird, wenn ihr Erfolg wollt. Und dass Neuverpflichtungen Konkurrenz für eure Kinder sind. Trotzdem sind die Eltern dann via WhatsApp und auch persönlich auf sich losgegangen. Da habe ich mich gefragt: Warum mache ich das? Ich nehme das alles in mein Privatleben mit, ich habe die Kinder echt ins Herz geschlossen.
„Auf dem Platz waren wir eine Einheit – aber die Eltern außerhalb des Platzes waren es nicht.“
Lothar Matthäus
Haben Sie das Gespräch mit den Eltern gesucht?
Natürlich. Es waren ja auch nicht alle Eltern, es waren nur einige. Mit denen konnte man gar nicht sprechen, weil sie einfach Scheuklappen gehabt haben. Andere haben schon verstanden, wenn man gesagt hat: Ihr wart jetzt drei Wochen im Urlaub, jetzt sitzt euer Sohn mal auf der Bank, um sich auch wieder reinzufinden. Auf dem Platz waren wir eine Einheit – aber die Eltern außerhalb des Platzes waren es nicht.
Ist das ein generelles Problem im Jugendfußball?
Ich habe viele Nachrichten bekommen von Leuten, die im Jugendfußball aktiv sind. Viele sagen, sie erleben Ähnliches. Vielleicht hat man auch deshalb ein Problem, Leute zu finden, die das machen wollen. Wenn die Verantwortlichen beleidigt werden, du nachts um 23 Uhr Anrufe annehmen oder morgens um 7 Uhr WhatsApps beantworten musst, geht das nicht. Ich kann nachvollziehen, dass jeder zuerst an sein eigenes Kind denkt. Aber wenn du im Mannschaftssport bist, musst du an die Mannschaft denken. Das war teilweise unterste Gürtellinie – immer von denselben zwei, drei, vier, die Politik in eigener Sache gemacht haben.
„Mir hat es wehgetan, den Schlussstrich zu ziehen. Aber für mein Leben ist es eine Erleichterung.“
Lothar Matthäus
Wie war die Resonanz der Eltern auf Ihren Rücktritt?
Sie waren überrascht, gerade die, die die Probleme gemacht haben. Die wollten mich am meisten umstimmen: Aber das haben sie nicht geschafft. Ich bin dem Verein freundschaftlich verbunden, da ist kein Bruch. Aber mehr mache ich nicht mehr.
Und die der Kinder?
Mir tun die Kids leid. Die sind gut mitgezogen, wir waren eine tolle Gemeinschaft. Es haben sich viele stark verbessert, denen ich das nicht zugetraut habe. Mir hat es wehgetan, den Schlussstrich zu ziehen. Aber für mein Leben ist es eine Erleichterung.
Spielt Ihr Sohn weiter in Grünwald?
Er spielt jetzt in Ismaning, gemeinsam mit einigen anderen aus Grünwald. Das sind zwei Kilometer mehr, aber zehn Minuten weniger Fahrtzeit. Und hoffentlich weniger Eltern wie die, die mich zu dem Schritt gebracht haben.