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Mehr als nur Fußball: Edgar Jung dient bei Vitesse Mayence auch als Integrationshelfer.
Mehr als nur Fußball: Edgar Jung dient bei Vitesse Mayence auch als Integrationshelfer. – Foto: kazy-stock.adobe / Vitesse

Edgar Jung ist der Bühnenbauer bei Vitesse Mayence

Erster Vorsitzender erhielt 2004 eine Laudatio von Jürgen Klopp +++ Teil der „Multi-Kulti-Truppe" +++ Verein bekam ein besonderes Geschenk von Vitesse Arnheim

Mainz. Edgar Jung und sein Verein haben eine Gemeinsamkeit: Sie fallen auf. Jung ist durch sein optisches Erscheinungsbild einprägsam. Ein langer grauer Bart und noch längere graue Haare, die zu einem Pferdeschwanz gebunden sind - jedoch meist gut verborgen unter einer markanten Mütze. Er ist Erster Vorsitzender eines Mainzer Vereins, der nicht nur durch seinen außergewöhnlichen Namen heraussticht: Vitesse Mayence. Gleichzeitig ist Jung die gute Seele bei Vitesse, was 2004 sogar Jürgen Klopp würdigte. Damals erhielt er den SWR-Preis „Ehrensache“ für sein herausragendes Engagement – doch der Reihe nach:

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Vitesse Mayence wurde 1986 gegründet und nicht selten belächelt – Wortspiele wie „Vitesse Mayonaise“ machten die Runde. Doch die Gründungsmitglieder, vor allem Studenten, ließen sich davon nicht beirren. Sie hatten „keine Lust mehr auf eine konservative Vereinsführung“, erklärt Edgar Jung, der 1988 zum Klub stieß. Er war selbst lange als Torhüter für Vitesse aktiv, stand rund ein Jahrzehnt zwischen den Pfosten.

Der mittlerweile 68-Jährige stammt aus der Region Kusel. Als er 1981 zum Studium nach Mainz zog, ahnte er nicht, dass er nicht nur Fan von Mainz 05, sondern auch langjähriger Vorsitzender eines Amateurvereins werden würde – letzteres inzwischen seit 17 Jahren.

Teil eines unkonventionellen Vereins

„Es ist großartig, Teil eines so offenen und lockeren Vereins zu sein, auch wenn unsere Art der Vereinsführung manchmal herausfordernd sein kann“, sagt Jung. Das zeigt sich etwa bei der Jahreshauptversammlung, die statt einer Stunde gelegentlich fünf bis sechs Stunden dauert – schließlich darf hier jeder seine Meinung einbringen.

Seine Rolle als Obmann übt Jung nicht nur in repräsentativer Form aus: „Ich bin der Bühnenbauer im Verein". Er packt vor allem aktiv selbst mit an, ist beispielsweise als Schiedsrichter-Betreuer von Vitesse im Einsatz oder kümmert sich um die Sponsorensuche für Trainingsmaterialien und -anzüge.

Vitesse Mayence: Eine "Multi-Kulti-Truppe"

Die Vereinskleidung trugen im Laufe der Zeit verschiedene Mitglieder. Zu Gründungsanfängen insbesondere junge Akademiker in Ausbildung - kein Wunder, schließlich liegt die Universität wenige hundert Meter entfernt vom Sportgelände des SV Vitesse Mayence. „Wir hatten mal zehn chinesische Studenten gleichzeitig in unserem Team", erzählt Jung. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm ihr Gruppensprecher, der – abgesehen von den Spielen – im Sommer wie Winter jederzeit in Badelatschen herumlief. „Heute trainiert er in einer Sechs-Millionen-Stadt in China ein Team in der vierthöchsten Liga. Vor ein paar Jahren hat er uns sogar mit seiner Mannschaft besucht und dafür extra einen Zwischenstopp in Mainz eingelegt.“

Mittlerweile setzt sich die Mannschaft weniger aus Studenten zusammen, aber Vitesse bleibt eine „Multi-Kulti-Truppe“. Jung beschreibt den Verein weiter als „bunte Gemeinschaft, die Spieler verschiedenster Herkunft verbindet.“ Besonders stolz ist der Klub auf sein Sonderteam „Ente Bagdad“, das die gleichen Werte vertritt und unter dem Dach von Vitesse antritt.

Bestens gelaunt und ausgestattet: Edgar Jung mit Regenschirm und Bierchen in den Händen während eines Spiels seines Herzensklubs Vitesse Mayence.
Bestens gelaunt und ausgestattet: Edgar Jung mit Regenschirm und Bierchen in den Händen während eines Spiels seines Herzensklubs Vitesse Mayence. – Foto: Alexander Graßhoff

Ehrensache für Jung - Laudatio von Klopp

Seit über 20 Jahren unterstützt Jung die ausländischen Vereinsmitglieder bei Themen rund um die Jobsuche, das Arbeitsamt und die Ausländerbehörde. Sein Antrieb dabei: „Sportbegeisterten eine sorgenfreie Möglichkeit bieten, ihrer Fußballleidenschaft nachzugehen."

2004 wurde Jungs außergewöhnliches Engagement mit dem Preis „Ehrensache“ des Südwestdeutschen Rundfunks (SWR) gewürdigt. Die Laudatio hielt kein Geringerer als Jürgen Klopp, ein alter Weggefährte von Jung, in einer Live-Sendung mit TV-Moderator Frank Elstner.

Auch der Verein selbst bewies früh ein Zeichen großer Solidarität: Vor mehr als zehn Jahren liefen die Spieler mit der Botschaft „Kein Abseits für Ausländer“ auf ihren Trikots auf – ein klares Statement für Toleranz und Integration.

Ein außergewöhnliches Geschenk aus den Niederlanden

Der Name „Vitesse“ ist deutschlandweit ein Alleinstellungsmerkmal. Zum Vereinsjubiläum sollten die Mainzer einst ein Freundschaftsspiel gegen die Traditionself von Vitesse Arnheim austragen. Doch die niederländischen Gäste sagten kurzfristig ab. Als Entschädigung schickten sie jedoch eine ganze Palette Grolsch-Bier nach Mainz – zur Freude der Vereinsmitglieder. „Das Bier hat uns super geschmeckt und die vollen Kühlschränke wurden schnell immer leerer“, erinnert sich Jung lachend.

Zusammenhalt, Werte und eine zweite Chance

Die Werte von Vitesse stehen für Jung an oberster Stelle. „Immer wieder stoßen neue Leute zu uns – darunter auch Menschen mit schwieriger Vergangenheit“, sagt er. Vitesse gibt ihnen eine zweite Chance. Doch wenn diese nicht genutzt wird, zieht auch der Mainzer Sportverein Konsequenzen.

Seine eigene Person stellt Jung ungern in den Mittelpunkt: „Es gibt so viele gute Seelen im Verein – unsere Finanzleiterin, unser Sportlicher Leiter, unser Trainer, unser Zweiter Vorsitzender, der ein echter Recherche-Guru in Sachen Trikotsätze ist, und viele mehr.“

An einen Vereinswechsel denkt Jung keineswegs: „Ich möchte zu keinem anderen Klub mehr als Vitesse Mayence gehören.“

Abschließende Fragerunde:

1. Das schätze ich an meinem Verein: ...

„Ich schätze den konstruktiven Umgang im Vorstand sehr, genauso wie das Miteinander mit unseren Jungs und den gegnerischen Verantwortlichen, die ich schon seit Jahren kenne. Die Leute wissen, worauf es ankommt, und genau das macht es so schön, dabei zu sein."

2. Diese Schlagzeile würde ich gerne über meinen Verein lesen: ...

„Vitesse Mayence steigt in die B-Klasse auf (da gehören wir hin - diese Schlagzeile wünsche ich mir allerdings erst zum Saisonende 2025/2026)."

3. Diese Mannschaft sollte unbedingt einmal gegen meinen Verein auflaufen: ...

„Vitesse Arnheim - gerne auch die vierte Mannschaft und auswärts in ihrem Stadion."

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Zur Serie: Es gibt in nahezu jedem Fußballverein mindestens eine davon: Die Rede ist von einer engagierten Person, die größtenteils im Hintergrund agiert, sich akribisch einbringt und den Verein am Laufen hält. Ohne die vieles bei dem heimischen Sportverein nicht so funktionieren würde, wie es der Fall ist. In unserer Serie „Die gute Seele im Verein" rücken wir diese oft unsichtbaren Ehrenamtlichen ins Rampenlicht und würdigen ihren unverzichtbaren Einsatz.

Ihr habt einen Vorschlag für eine "gute Seele" aus eurem Verein, die wir unbedingt mal vorstellen sollten? Dann schreibt uns kurz eine Mail mit ein paar kurzen Informationen zur Person und idealerweise den Kontaktdaten.

Dein Kontakt (per E-Mail) zur FuPa-Redaktion: fupa@vrm.de

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Übersicht aller bisher veröffentlichten Berichte der Serie „Die gute Seele im Verein":

Aufrufe: 014.2.2025, 15:00 Uhr
Max Schäfer Autor