Sepp Gsödl will erst gar nicht um den heißen Brei herumreden. Als sich nach seiner Zusage im April nach und nach ein Spieler um den anderen verabschiedet hat, hat er oft gegrübelt: "Mein Gott. Welche Spieler habe ich überhaupt noch zur Verfügung?" Dennoch stand für das Trainer-Urgestein zu jedem Zeitpunkt fest, dass es dabei bleibt, dass er ein drittes Mal den TV Freyung übernimmt - und die strauchelnde Bayerwald-Größe beim Neuaufbau in der Kreisklasse anführt. "Das war nicht selbstverständlich. Aber Freyung ist einfach was Besonderes für mich."
Noch vor ein paar Wochen hätte der 57-Jährige auch zugestimmt, wenn man seine Aufgabe in der Kreisstadt als "Himmelfahrtskommando" bezeichnet hätte. Zu viel lag im Argen auf dem Oberfeld. Zweimal in Folge war der TV abgestiegen. Die Truppe, die die Kreisliga in der vergangenen Spielzeit nicht halten konnte, fiel komplett auseinander. Die Reservemannschaft im Rahmen einer Spielgemeinschaft mit Kreuzberg und Mauth wurde aufgelöst. Freyung drohte der freie Fall, wie auch "Insider" Gsödl selbst bestätigt. Die 0:8-Pleite im ersten Testspiel gegen Lindberg tat ihr Übriges.
Zwei Wochen später gestaltet sich die Situation etwas anders. Aus erfahrenen Spielern wie Tobias Irlesberger und Stefan Philipp, einstigen Ergänzungsspielern sowie Akteuren der 2. Mannschaft ist ein Team entstanden, das auch ein solches ist. "Ich wusste, dass es nicht einfach wird. Das ist es auch nach wie vor nicht", erklärt Gsödl. "Aber es ist bei Weitem nicht so schlimm wie anfangs vermutet." Er ist davon überzeugt, dass genügend Quantität und auch Qualität da ist, um das Ziel, das einzig und allein der Klassenerhalt ist, zu erreichen.
Das liegt nicht nur daran, "dass die Jungs gut mitziehen und lernwillig" sind. Sondern auch, dass sich beim TV Freyung ein neues Miteinander entwickelt habe. "Die AH-Spieler kommen wieder und schauen zu. A-Jugendliche trainieren im Gegensatz zu früher freiwillig bei der Ersten mit, insgesamt sind die Menschen drumherum wieder positiver", berichtet der 57-Jährige. "Sie sehen, dass jeder einzelne alles gibt – und das gefällt ihnen."
Es sei allen bewusst, dass sich der Verein nicht mehr zum niederbayerischen Establishment gehört. Und das auf absehbare Zeit. "Die Fehler, die dazu geführt haben, liegen länger zurück. Es wurde nicht auf den Unterbau geachtet. Und nur Spieler von außen zu holen ist eben gefährlich." Nun spielen wieder ausschließlich Freyunger für den TV. Und auch die Gegner in der attraktiven Kreisklasse Freyung entschädigen für vieles. "Dennoch muss allen klar sein, dass der Verein künftig einen anderen Weg geht, der vielleicht nicht so erfolgreich sein wird."
Diese Worte sind nicht einfach so leicht daher gesagt. Gsödl weiß, dass er als eine Art Heilsbringer gesehen wird, dass er der Rettungsanker für die Spieler in schwierigen Zeiten ist. Diese Rolle nimmt er gerne an, "weil ich gerade als Spieler vom TV profitiert habe und nun was zurückgeben will. Ich brauche keine Druck von außen, den mache ich mir schon selber. Und mit Kritik kann ich sowieso leben." Es schwingt auch jede Menge Herzblut mit beim ehemaligen Bayernliga-Spieler, der am Oberfeld als Aktiver und Trainer einen exzellenten Ruf genießt. "Ich nehme es in Kauf, dass es vielleicht nicht klappt mit dem Klassenerhalt. Aber dann will ich zumindest alles gegeben haben."
Dass Josef Gsödl nicht nur wegen seiner Expertise ein Sechser im Lotto für den TV Freyung ist, sondern auch wegen seines sympathischen, menschenverbindenen Art und auch wegen seiner Vorgeschichte am Oberfeld, bestätigt Johannes Schiller, einer der neuen Sportlichen Leiter des Kreisliga-Absteigers: "Sepp ist ein absoluter Fachmann und in unserer momentanen Situation genau der richtige Mann. Er kennt den Verein sehr gut, bringt jahrelange Erfahrung mit und gibt immer alles. Ich könnte mir keinen Besseren in dieser Situation vorstellen."
Es klingt irgendwie kitschig, dass der frühere pfeilschnelle Außenspieler aus Oberpolling, dessen überregionale Karriere einst beim TV so richtig Fahrt aufgenommen hat, nun zurückgekehrt ist, um zu helfen. Und es kommt noch kitschiger. Denn der weitum bekannte Übungsleiter, der mittlerweile in Hintereben wohnt, spielt mit dem Gedanken, seine lange Karriere zu beenden. "Ich werde ja bald 60 Jahre alt. Und irgendwann muss es gut sein." Und es gibt wohl nur wenige, die ihm kein Happy End wünschen...