Ein sportlich aufregendes Jahr liegt hinter dem KFC Uerdingen und seinen Anhängern. Nach 18 gespielten Partien hat die Mannschaft von KFC-Coach René Lewejohann 20 Punkte auf der Habenseite. Eigentlich wären es 23, doch der Sieg gegen den Wuppertaler SV am 14. Spieltag wurde nachträglich aberkannt. Doch hier ist das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen, denn ein Einspruch gegen die aktuelle Wertung läuft noch.
Dennoch ist die Mannschaft voll im Soll und steht damit über dem Strich und hat fünf Zähler Vorsprung auf einen direkten Abstiegsplatz. Dabei sah es zu Beginn nicht danach aus, dass der KFC dermaßen gefestigt auftritt.
Angefangen hatte alles mit einer 0:2-Niederlage gegen die Sportfreunde Lotte am ersten Spieltag. Seinerzeit war die Mannschaft erst wenige Tage in dieser Konstellation zusammen, was man auch am Zusammenspiel sah. Es passte wenig zusammen, doch einige der Hauptakteure zeigten da bereits, dass sie in der Liga durchaus bestehen können.
Am zweiten Spieltag ging es zur Zweitvertretung des FC Schalke 04. Auch dort war man eine Halbzeit ziemlich chancenlos, in den zweiten 45 Minuten aber berappelte sich die Mannschaft und zeigte erstmals, zu was sie fähig ist. Das erste Tor der Saison, ein Fernschuss über 40 Meter von Nazzareno Ciccarelli, war bei der 1:2-Niederlage letztlich zu wenig, doch es war auch so etwas wie die Initialzündung für die folgenden Wochen. Auch Lewejohann bekräftigte dies beim Fantalk, wo er ebenfalls davon sprach, dass die zweite Halbzeit auf Schalke ein Wendepunkt gewesen sein soll.
Denn im Anschluss folgte nicht nur gegen Gütersloh der erste Sieg (2:0), sondern der KFC startete gleich eine Serie von vier Siegen in Folge. Highlight dabei sicher der 2:1-Sieg in Rödinghausen. Das Siegtor durch Jeff-Denis Fehr – per Hacke erzielt – fiel erst in der Schlussphase der Begegnung und löste einen wahren Freudensturm in Gästeblock aus.
Auf diese Hochphase aber folgte ein Tief von vier Niederlagen in Folge. Nicht überraschend bei einem so jungen Team, denn Schwankungen wurden bereits zuvor schon eingepreist. Dabei waren die Niederlagen jedoch teils unnötig, teils unglücklich. Das Pokalaus beim TVD Velbert war der größte Tiefschlag, denn ein Ausscheiden gegen den Oberligisten war eigentlich nicht eingeplant. Einziger Positivaspekt daran war, dass man sich nach der zweiten Pokalrunde voll auf die Liga konzentrieren konnte.
Hier gab es zunächst die knappe Niederlage daheim gegen Rot-Weiß Oberhausen (0:1), im Anschluss das Torfestival in Düren (3:5). So kam es erst am 9. Spieltag beim Heimspiel gegen Türkspor Dortmund zum vierten Saisonsieg. Im Anschluss folgten die Wochen der Zweitvertretungen, bei denen der KFC fleißig Punkte sammelte und sich ein ums andere Mal gut verkaufte. Lediglich eine Niederlage gegen die Zweitvertretung der Gladbacher Borussia hatte Lewejohann zu beklagen, ansonsten gab es einen Sieg gegen Paderborn II (3:1) sowie zwei Unentschieden in Köln (1:1) und gegen Düsseldorf (1:1).
Am 14. Spieltag folgte dann das bereits angesprochene Duell in Wuppertal, was der KFC mit 2:1 gewann. Doch weil mit Joey Tshitoku ein Abwehrspieler der Blau-Roten auf dem Spielberichtsbogen nicht ordnungsgemäß gemeldet war, wurden die Punkte zunächst den Wuppertalern zugesprochen. Ein Einspruch des KFC läuft derzeit noch.
Mit Fortuna Köln und dem MSV Duisburg folgten zwei Spiele gegen die Schwergewichte der Liga. Zwar verkaufte sich der KFC teuer, doch mehr als Lob blieb den Verantwortlichen in der Grotenburg nach den beiden Duellen nicht, denn sowohl gegen Fortuna (0:1) als auch gegen Duisburg (1:2) stand am Ende jeweils eine Heimniederlage.
Das Ende der Ergebniskrise kam schließlich am letzten offiziellen Spieltag der Hinrunde mit dem Duell in Wiedenbrück. Hier konnte der KFC den so ersehnten „dreckigen“ Sieg endlich einfahren und sich damit auch ein Stück weit belohnen für die Spiele, die er zwar spielerisch gut mithielt, am Ende aber keine Punkte einfuhr. Den sportlichen Abschluss des Jahres 2024 bildete letztlich das Auswärtsspiel in Lotte vor einer Woche, welches mit 1:5 verloren ging.
Wie aber ist diese Hinrunde nun zu bewerten? Zunächst muss man, wie auch der Trainer unlängst betonte, das große Ganze betrachten. Während sich im Sommer über 150 verschiedene Spieler beim KFC vorstellten, und ein reguläres Vorbereitungstraining gar nicht möglich war, filterte das Trainerteam die besten 30 Akteure aus dem Pulk. Mit weniger als drei Wochen Vorbereitungszeit ging es am ersten Spieltag gleich gegen ein enorm gefestigtes Team aus Lotte, wie auch die letzte Begegnung und der Saisonverlauf der Ostwestfalen zeigt.
Es brauchte anschließend noch wenige Wochen, doch mit dem Lauf zwischen Spieltag drei und Spieltag sechs war nicht nur eine erste Basis geschaffen, sondern die Mannschaft deutete erstmals ihr Leistungspotenzial an. Rückschläge wie in Bocholt, Düren oder auch gegen die Spitzenteams der Liga kamen dagegen keinesfalls überraschend. Es war eher unerwartet, wie gut das Team von Lewejohann mithielt und sich in der Liga adaptierte.
Das wiederum unterstreicht auch die Entwicklung einzelner Akteure. So haben Youngster wie Adam Tolba, Noel Werner oder auch Rawley St. John bereits einen großen Leistungssprung hinter sich. Tolba wurde in der Hinrunde erstmals für die U20-Nationalmannschaft Ägyptens nominiert,Noel Werner erzielte gegen Paderborn seinen ersten Saisontreffer in der Regionalliga West und St. John ist mittlerweile sowas wie die erste Allzweckwaffe im Mittelfeld für den Coach.
Auch erfahrenere Akteure haben sich Schritt für Schritt stabilisiert und gezeigt, dass sie ein echter Gewinn für den Klub sind. Kapitän und Innenverteidiger Tim Stappmann ist aus dem Kader nicht mehr wegzudenken, Melvin Ramusovic sorgt im defensiven Mittelfeld immer wieder für viel Stabilität und Offensivakteure wie Nazzareno Ciccarelli und Jeff-Denis Fehr sorgen vorne für die nötige Durchschlagskraft.
Wie sehr der KFC aber auch von seiner ersten Reihe abhängt, zeigte sich zuletzt in Lotte, als gleich mehrere Stammspieler verletzt fehlten. Auch auf dem Fantreff vor wenigen Tagen beklagte Lewejohann, dass das Leistungsgefälle im Kader zu groß sei und es dort frisches Blut für die Rückrunde brauche. Demnach soll es in den kommenden Wochen durchaus zu Abgängen und Leihen im Kader kommen, auch neue Akteure möchte man zum Klub lotsen.
Sportlich scheint man in Uerdingen daher regionalligatauglich aufgestellt und auch die Entwicklung zeigt auf vielen Ebenen in die richtige Richtung. Nimmt man jedoch Abstand von der sportlichen Seite, offenbaren sich immer tiefere Abgründe im Verein. Inzwischen kämpft der Vorstand offen gegeneinander, Schuldzuweisungen sind an der Tagesordnung und über allem schwebt nach wie vor die drohende Insolvenz.
Denn Sponsoren sind auch im Winter noch Mangelware. Zwar ziert die Mercedes-Benz Herbrand-Gruppe seit drei Spielen bzw. seit dem Spiel gegen den MSV Duisburg Ende November die Trikotbrust des einstigen Bundesligisten, doch offiziell ist der Deal immer noch nicht bestätigt. Zudem wird das Finanzloch größer und größer, denn bislang bezahlt Spielerberater Mehmet Eser einen Großteil der Gehälter, was wiederum als Darlehen ausgeschrieben ist. So soll er dem Vernehmen nach bereits über 400.000 Euro zusätzlich in den KFC investiert haben. Zusätzlich zu den Altlasten dürfte sich hier eine stolze Summe angesammelt haben, wo fraglich ist, wie das Geld überhaupt aufgebracht werden soll.
Zuletzt wurde noch ein Wirtschaftsprüfer mit der Aufgabe betraut, die Vorwürfe vom Vorstandsvorsitzenden Thomas Platzer zu widerlegen. Dieser hatte gefragt, wo große Teile des Geldes aus dem Spiel gegen den MSV Duisburg geblieben seien. Letztlich konnte das Büro des Prüfers zwar Unregelmäßigkeiten ausräumen, erklärte aber auch, dass eine „Prüfung der Zählung der Bargeldbestände an den einzelnen Kassen im Nachhinein nicht vollumfänglich möglich“ sei.
Für den 13. Januar 2025 wurde aus der Chefetage des Vereins eine Mitgliederversammlung anberaumt, offiziell bestätigt ist der Termin aber noch nicht. Organisatorisch scheint für diesen Tag noch nicht alles in trockenen Tüchern, aber man kann für alle Anhänger des Vereins nur hoffen, dass die Mitgliederversammlung auch wirklich stattfindet und wahrgenommen wird. Denn es dürften sich erst dort viele offene Fragen klären lassen. Und davon gibt es auch vor Weihnachten noch eine ganze Menge.
Warum wird der 1. Vorsitzende des Vereins bewusst geschnitten und außen vor gelassen, anstatt Hand in Hand zu arbeiten, wenn man doch alles für den Verein tun wolle? Warum werden Absprachen nicht eingehalten oder über Bord geworfen? Wie sollen weitere Sponsoren für den Verein gefunden werden und wessen Aufgabe ist dies? Wie soll der Schuldenberg abgebaut werden und wie bekommt man die vielen Gläubiger rund um den Verein ruhig gestellt?
Und das sind nur wenige der drängendsten Fragen, die den KFC auch über den Jahreswechsel begleiten werden. Tatsächlich ist es ein Segen, dass die Mannschaft bislang so fleißig Punkte sammelte und auch sportlich überzeugen konnte. Nicht auszudenken, was zusätzlich noch los wäre, würde die Mannschaft auch sportlich nicht mithalten können. Es dürfte deutlich unruhiger rund um die Grotenburg sein.
So aber sind es René Lewejohann uns seine Jungs, die der Kitt für den Verein sind und aktuell alles beim KFC zusammenhalten. Entsprechend groß darf auch die Vorfreude auf die Rückrunde sein, wenn die Mannschaft erstmals eine vernünftige Vorbereitung absolviert hat. Gut möglich, dass die Hinrunde nur das Horsd’œuvre für eine noch bessere Runde war.