Martin Lanig (39), ehemaliger Fußballprofi (Stuttgart, Köln, Frankfurt), gilt als der Kenner der 3. Liga. Bei deren Haussender Magenta Sport arbeitet er als Experte. Im Interview bewertet er die gerade gestartete Liga und wirft einen Blick auf den TSV 1860 und die SpVgg Unterhaching.
Herr Lanig, der erste Spieltag in der 3. Liga ist gespielt. Wer hat überrascht, wer enttäuscht?
Auffällig ist, dass alle Aufsteiger gepunktet haben. Viele haben im Vorfeld prognostiziert, dass die Liga heuer noch ausgeglichener ist als im Vorjahr. Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, hat sich das bestätigt.
Dresden hat Absteiger Bielefeld 3:1 geschlagen. Wurde Dynamo seiner Favoritenrolle direkt gerecht?
Der größte Vorteil für Dynamo ist, dass die Mannschaft seit einem Jahr mit dem Trainer zusammenarbeitet. Dort greifen die Rädchen ineinander, man erkennt die Handschrift von Markus Anfang. Dazu haben sie sich punktuell verstärkt.
Im Gegensatz zu Arminia Bielefeld . . .
Genau. Arminia hat eine komplett neue Mannschaft - inklusive neuem Trainerstab. Bis das zusammenwächst, dauert das natürlich seine Zeit.
1860 hat nach einer holprigen Vorbereitung mit 2:0 gegen Waldhof Mannheim gewonnen. In der Art und Weise sogar überzeugend – auch für Sie überraschend?
Die Vorbereitung war in meinen Augen sogar mehr als holprig. Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Mannschaft so klar gegen Waldhof gewinnen kann. Mit der glücklichen 1:0-Führung hatte 1860 den entscheidenden Moment auf seiner Seite. Danach haben sie es konzentriert zu Ende gespielt.
Die Fans freute vor allem, dass ein Team auf dem Rasen stand, das um jeden Millimeter Gras kämpfte.
Diese Leidenschaft ist bei 1860 ein Muss und gehört zur DNA. Das verbindet Fans und Verein. Kämpfen zu können ist in der 3. Liga die Basis für Erfolg. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob die Löwen auf Strecke auch die spielerische Qualität mitbringen, um wirklich besser als andere zu sein.
Ist der Umbruch aus Ihrer Sicht gelungen? Der Umbruch ist riesengroß.
Das ist – siehe Dresden – kein Vorteil. Es wird schwierig, die Automatismen auf den Platz zu bringen. Und die Namen sind nicht mehr so groß wie im Vorjahr. Das große Fragezeichen ist für mich, ob die individuelle Klasse der Spieler reicht, um die gesteckten Ziele zu erreichen.
Immerhin Manfred Starke und Marlon Frey sind gestandene Drittligaspieler.
Absolut. Aber wenn man sich alle Neuzugänge anschaut, sind das aus meiner Sicht nicht solche Spieler, die bei ihren Ex-Clubs so geglänzt haben, dass man sie unbedingt hätte holen müssen, wenn man Ambitionen in der Liga hat.
Für Kritiker wirkte die Zusammenstellung des Kaders zwischendurch etwas zusammengewürfelt.
Stimmt. Nehmen wir mal zum Beispiel Niklas Tarnat, der sich in Essen nicht gerade für höhere Aufgaben empfohlen hat. Da fragt man sich schon, wie man darauf kommt, gerade ihn zu 1860 zu holen – mit den Ambitionen und Ansprüchen, die man hat.
Verantwortlich für die Kaderplanung war neben u. a. Geschäftsführer Pfeifer auch Maurizio Jacobacci,
Die Frage ist, ob man als Verein die komplette Verantwortung dem Trainer übertragen will. Denn so macht man sich abhängig. Die Meinung des Trainers und die Philosophie des Vereins sollten natürlich möglichst deckungsgleich sein. Das ist aber nicht immer der Fall. Deshalb ist es gut, wenn man kontrovers diskutiert, um zum besten Ergebnis zu kommen. Diese Diskussionsgrundlage scheint es aktuell nicht zu geben. Das birgt Risiken.
Jacobacci sprach sich in der Sommerpause für den Moment sogar gegen einen neuen Sportdirektor und Nachfolger von Günther Gorenzel aus.
Also ich als Vertreter des Vereins würde über so eine Personalie schon selbst entscheiden wollen – natürlich in Absprache mit dem Trainer. Ich frage mich, was eigentlich die übergeordnete Instanz des Trainers ist.
Neuester Zugang ist Stürmer Joel Zwarts. Ist er eine sinnvolle Verstärkung?
Er ist ein athletischer und bulliger Typ. Mit Fynn Lakenmacher gibt es aber auch schon einen ähnlichen Spielertyp im Kader.
Jacobacci sagt, er müsse noch viel lernen.
Klar muss er noch viel lernen. Aber ich finde, dass er sich in der Vorsaison toll entwickelt hat. Er hatte eine Zeit lang das Problem, dass er Bälle leicht verloren hat. Das hat er zuletzt besser gemacht. Dass man noch einen Stürmer dazu holt, kann ich aber trotzdem ein Stück weit nachvollziehen.
Lassen Sie uns noch einmal einen Blick auf die Löwen-Konkurrenz werfen: Wie schätzen Sie die Liga heuer grundsätzlich ein?
Ich glaube, dass die Liga von ihrer Leistungsdichte noch enger geworden ist. Es gibt Ab- als auch Aufsteiger, die sich auf lange Sicht nicht damit zufriedengeben werden, nur in der Klasse zu bleiben.
Wer hat die besten Chancen auf den Aufstieg?
Dresden aus den genannten Gründen. Dazu noch Sandhausen, das mit die beste Mannschaft in der Liga hat. Und Saarbrücken gehört zu den Favoriten, weil sie schon im Vorjahr gut unterwegs waren und sich gut verstärkt haben.
Und die Löwen?
1860 ist für mich eine Wundertüte. Rein personell gesehen und der Tatsache geschuldet, dass es eine komplett neue Mannschaft ist, würde ich die Löwen aktuell im Mittelfeld verorten.
Aufsteiger Elversberg schaffte im Vorjahr die Sensation. Wer kann heuer überraschen?
Elversberg war einfach krass. Etwas vergleichbares sehe ich aktuell nicht. Spannend ist, was in Halle passiert. Sie haben mit Trainer Sreto Ristic verlängert, mit Baumann, Skenderovic und Torhüter Müller gute Spieler geholt. Halle hat vieles richtig gemacht. Wenn sie weiter ihren Weg gehen, könnte das durchaus eine Mannschaft sein, die besser spielt, als viele denken.
Packt Aufsteiger Unterhaching den Klassenerhalt?
Klar kann Haching das schaffen. Sie haben eine Mannschaft, in der es charakterlich stimmt und alle an einem Strang ziehen. Ich glaube nur, dass der Aufstieg viel mit Sandro Wagner zu tun hatte. Das Kollektiv hat sehr gut funktioniert und er hat aus den Möglichkeiten das Beste herausgeholt. Er ist weggebrochen, seine Fußstapfen zu füllen wird schwierig. Für Haching wird es auf Dauer knifflig in der Liga.
Interview: Johannes Ohr