2024-06-24T10:12:48.875Z

Interview
Jean-Luc Saninelli (l.) und Charles Schloesser saßen für ein ausführliches Gespräch mit FuPa zusammen
Jean-Luc Saninelli (l.) und Charles Schloesser saßen für ein ausführliches Gespräch mit FuPa zusammen – Foto: paul@lsn.sarl

Walferdingen: von einer bedrohten Existenz in die Ehrenpromotion

Vor nicht einmal zehn Jahren riskierte der FC Résidence von der Bildfläche zu verschwinden – heute ist vieles besser und anders.

2016 stand die Existenz des FC Résidence Walferdingen auf der Kippe, 2024 spielt man zwei Klassen höher in der Ehrenpromotion und dies durchaus überzeugend. Doch zwei Mitglieder aus der Gruppe von Rettern von einst steigen zum Saisonende aus bzw. treten kürzer, ein neuer Vorstand um den kürzlich neu gewählten Präsidenten David Wagener wird übernehmen. FuPa Luxemburg hat sich mit den zwei unterhalten, dem bisherigen Vorsitzenden Jean-Luc Santinelli und dem sportlichen Leiter der Seniors 1, Charles Schloesser. Sie haben mit uns die rezente Historie rekonstruiert, machen aber auch keinen Hehl daraus, dass ein gefühltes Schildbürgertum seitens Gemeinde und FLF ihnen die Lust auf ihr Ehrenamt nahm. Santinelli wird sich aber auch wegen neuer beruflicher Verpflichtungen weniger im Verein einbringen können.

„Es war zwei Minuten vor zwölf“

Charles Schloesser gehörte dem Résidence-Vorstand bereits einmal an, trat aber damals aus. Nach einigen Versammlungen mit Interessenten, die den Club am Leben halten wollten, kristallisierte sich eine definitive Gruppe an Personen heraus: „Im Mai 2017 bildete sich der erste neue Vorstand“ erklärten Schloesser und Santinelli gemeinsam. Doch wie konnte es in der rund 8.000 Einwohner zählenden Gemeinde überhaupt so weit kommen? „Im vorherigen Vorstand gab es eine Person, die niemanden anders neben sich duldete und dadurch andere vor den Kopf stieß. Das war der Punkt, an dem ich damals aufhörte, auch wenn diese Person viel für den Verein geleistet hatte“ erklärte Schloesser die Problematik. Die Vorstandsmannschaft war klein und die Aufgabenlast zu groß. „Man zog keine Sponsoren an“ – etwas das heute beim FC Résidence u.a. auch durch den Einsatz von Jean-Luc Santinelli anders ist.

Der stets besonnene jetzige Ex-Präsident erklärte die damalige Lage wie folgt: Als asbl gibt es eine klassische Prozedur, die eingehalten werden muss, wenn man den Verein auflösen möchte. Dies war der Plan, da kein Vorstand da war. Diese Prozedur gibt vor, dass man drei Generalversammlungen abhalten muss, bevor ein Club aufgelöst werden kann. Findet man in einer ersten keinen neuen Vorstand, hält man eine zweite ab. Und kommt es zu einer dritten, beinhaltet dieser die Auflösung. Es war in dieser letztmöglichen Hauptversammlung, in der sich der neue Vorstand bildete.“ - „Es war zwei Minuten vor zwölf“ warf Schloesser im Gespräch mit FuPa ein. „Man sieht wie wichtig es war, wenn wir heute siebzehn Mannschaften angemeldet haben. Wir liegen in allen Bereichen zwischen Beggen, Hostert, Strassen, Steinsel und Lorentzweiler. Man teilt sich die Ressourcen. Und hier in Walferdingen hat man Basketball, Volleyball und Rugby auf hohem Niveau. Entsprechend groß ist die Konkurrenzsituation in der näheren Umgebung.

Man steigerte sich über die wenigen Jahre von acht Personen auf deren füfnzehn, die heute eine offizielle Funktion bekleiden. „Daneben gibt es noch Freiwillige, die keinen offiziellen Posten bekleiden, uns aber dennoch helfen“ macht Santinelli die Situation im Ehrenamt in Walferdingen deutlich. Über eine Maßnahme des Familienministeriums konnte man mittlerweile auch eine Vollzeitkraft einstellen. „Das hilft uns sehr viel“ so Schloesser, dessen Verein über 300 aktive Lizenzierte zählt.

Eine großartige sportliche Entwicklung

Schloesser machte die sportliche Entwicklung anhand von zwei Beispielen fest: „Den ersten Spieler, den wir damals zu uns holten, kam aus Dalheim, was keineswegs respektlos gegenüber diesem Verein gemeint ist. Der letzte jetzt im Winter kam von Racing, wo er Stammtorwart war. Dies zeigt die Entwicklung der letzten Jahre.“ Dass man auch Glück bei den Transfers brauchte, bestreitet man in der nördlichen Vorortgemeinde der Hauptstadt nicht. „Es war mit sehr viel Arbeit verbunden. Wir verfügen zum Glück über eine gute, eigene Basis. Eine Reihe junger Spieler, Patrick Macedo ist wohl das bekannteste Beispiel, waren schon da. Diese bildeten das Fundament.“ Damals begann man erst einen Monat vor Ende der Saison, also sehr spät, was Transfers angeht.

Die Résidence-Mannschaft, die den Aufstieg in die Ehrenpromotion schaffte
Die Résidence-Mannschaft, die den Aufstieg in die Ehrenpromotion schaffte – Foto: paul@lsn.sarl (Archiv)

„Wir übernahmen im Mai und änderten eigentlich kaum etwas am Kader“ hakte Santinelli in das sportliche Thema ein. Frédéric Cicchirillo blieb noch ein Jahr als Trainer, danach kam Vincent Di Gennaro für ein halbes Jahr, auf ihn folgte Jacek Complak, mit dem man in die 1.Division aufstieg. Nach den zwei abgebrochenen Covid-Spielzeiten näherte man sich einem weiteren Aufstieg an. Nach einem dritten Platz 2021-2022 wurde man unter Rachid Lazaar ein Jahr später Erster und kehrte nach 62 Jahren erstmals wieder in die Ehrenpromotion zurück.

„Vieles lag brach“ erläuterte Schloesser, wie es vor dem Vorstandswechsel 2017 aussah. „Ich glaube wir hatten nur noch sieben Jugendmannschaften. Seitdem wurde von den Verantwortlichen des Jugendbereichs sehr viel Arbeit geleistet.“ „Wir hatten keine Cadets- und keine Junioren-Teams mehr“ ergänzte Santinelli. Man musste und wollte sich breiter aufstellen. In den Folgejahren tätigte man für die 1.Mannschaft weniger, dafür aber qualitativ bessere Transfers. Damit war ein Fundament gelegt, mit dem man die Lücke in der Jugend nach und nach schließen konnte. Mit den Aufstiegen wurde die Sichtbarkeit des Vereins erhöht, wodurch vermehrt auch Spieler selbst an den Club herantraten.

Santinelli: „es half auch, dass wir einen Kunstrasenplatz bekamen, was noch ein Verdienst unserer Vorgänger war. Davor war der zweite Platz mit Naturrasen ausgestattet, der nicht immer zugänglich und bespielbar war. Diese Erneuerung gab uns schon einen Schub, um der Jugend mehr bieten zu können. Man muss aber ehrlich bleiben, es war nicht immer leicht. Doch am Ende lässt sich das Ergebnis sehen, alle Kategorien sind doppelt oder dreifach vertreten.“ Dass mal ein schwächerer oder dünner besetzter Jahrgang dabei ist, ist nie ganz zu vermeiden. Dass die älteren Jahrgänge in ersten Klassen spielten oder wieder spielen zeugt von der Qualität, die mittlerweile in Walferdingen hervorgebracht wird. Gleiches gilt für die 2.Herren-Mannschaft. „Wir haben halt nicht die dicke Brieftasche, wodurch wir etwas auf Transfer-Glück und gute Nachwuchsausbildung setzen müssen“ so Schloesser. Es war wie auf dem Fußballfeld auch das Glück des Tüchtigen, das sich in den Bereichen Jugend und Transfers auszahlte.

Der Schritt zwischen der 1.Division und der Ehrenpromotion war wie bei vielen Clubs auch beim FC Résidence ein großer. „Jeder kann jeden schlagen“ resümierte Schloesser, was für die zweithöchste Liga im luxemburgischen Männerfußball alles andere als ein Geheimnis sein dürfte. In einer 1.Division kann man mit der individuellen Qualität Einzelner noch den Unterschied machen, waren sich beide Gesprächspartner einig. „Das ist jetzt vorbei“, so Schloesser.

Santinelli als auch Schloesser konnten nur schwer einschätzen, wie es war, als der Verein zum letzten mal in der Ehrenpromotion spielte, zu lange ist es her. Der Stolz über das Erreichte ist zu Recht vorhanden, ein Vergleich ist schlicht nicht möglich. Es gab aber seit der Amtsübernahme konkrete Pläne: „Im ersten Jahr aufsteigen, im zweiten Jahr sich etablieren und im dritten wieder angreifen“ schilderte der Sportchef, der im Sommer aufhören wird. Der Respekt vor der Ehrenpromotion war dann aber schon groß: „man hatte Blut geleckt und wusste, welche Hebel man betätigten musste, um noch weiterzukommen.“ Die beiden Gesprächspartner wollen, dass die 1.Mannschaft die Klasse hält. Santinelli: „unser Ziel ist der Klassenerhalt, das ist auch das Ziel des neuen Vorstandes.“ Höher zu schauen würde neue Probleme mit sich bringen.

Enttäuschung über FLF und Gemeinde

„Es ist wichtig zu erwähnen, dass unsere Infrastrukturen in Ordnung sind, wenn man in einer 1. oder 2.Divsion spielt. In der Ehrenpromotion stoßen wir diesbezüglich aber bereits an Grenzen. Da müssen wir realistisch bleiben. Einige Punkte spielen eine Rolle, nämlich wie angedeutet die Infrastrukturen und das Budget. Vieles muss passen“ gelang Santinelli eine perfekte Überleitung von sportlichen zu außersportlichen Themen.

Der Walferdinger Sportkomplex bereitete den Verantwortlichen des Öfteren Kopfzerbrechen
Der Walferdinger Sportkomplex bereitete den Verantwortlichen des Öfteren Kopfzerbrechen – Foto: Résidence Walferdingen/Facebook

„Ich denke eine Aufgabe des neuen Vorstandes ist es, wie man sich infrastrukturell weiterentwickeln kann, bevor man sportlich weiterschaut. Wir haben in der Ehrenpromotion einen viel höheren Aufwand in der Vereinsverwaltung als Vereine, die über Infrastrukturen verfügen, die nicht so offen sind wie unser gesamtes Sportgelände.“ Schloesser pflichtete Santinelli bei: „Was die Infrastrukturen angeht, sind wir in der Ehrenpromotion bereits über dem Limit.“ Es sei nicht realistisch, in der heutigen Konstellation zu sagen, man wolle noch weiter nach oben.

Der erwähnte organisatorische Aspekt, der die Anlage des FC Résidence Walferdingen bautechnisch mit sich bringt, kostete Santinelli viel Energie, wie er im Gespräch, das am 5.Februar geführt wurde, verriet. Dies war auch ein Grund, sein Mandat nicht mehr verlängern zu wollen. Er werde aber passives Mitglied im Verein bleiben und in verschiedenen Kommissionen helfen. „Wenn ich dann feststelle, dass von Seiten der Gemeinde mit Blick auf unsere Entwicklung in der Ehrenpromotion zu wenig Hilfe kommt, dann bin ich persönlich auch an einer Grenze angekommen. Zwar hat die Gemeinde uns durchaus geholfen, das will ich nicht bestreiten. Wir sind als Verein aber gewachsen, die Gemeinde dagegen auf infrastrukturellem Plan nicht. (…) Doch die Gemeinde ist verantwortlich und wird von der Allgemeinheit bezahlt, wir arbeiten dagegen nur ehrenamtlich.“

Charles Schloesser nannte andere Gründe für seinen Rückzug. „Es war extrem intensiv, man war dauernd eingebunden. Ich habe mit niemandem in meinem Leben so viel gestritten als mit Jean-Luc (d.Red: Santinelli) (Lachen), doch immer im Interesse des Vereins. Ich sah nicht mehr, was ich noch einbringen könnte, ich fand die nötige Motivation nicht mehr.“

Doch auch Schloesser schloss das ausführliche Gespräch mit einer Kritik ab. Er sprach davon, dass die Gemeinde Versprechen, die im Wahlprogramm standen, nicht eingehalten habe. „Doch was bei mir der endgültige Auslöser war, ist, dass man sich den Allerwertesten ehrenamtlich und unbezahlt aufreißt – im Gegenteil, man steckt noch Geld und Zeit in den Verein. Dann kommt man zu einem Spiel, während dem man vom Schiedsrichter – das ist mir so ergangen – vorgeworfen bekommt, man habe ihn physisch angreifen wollen. Das ist etwas, das ich nie im Leben machen würde! Das war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich bin absolut dafür, die Unparteiischen zu schützen und sie zu unterstützen.“ Dabei weiß er, von was er spricht, da man in den Vorjahren Disziplinprobleme löste, in dem man die Auslöser rigoros vor die Tür setzte. „Wenn man viel Arbeit in etwas steckt, die erwähnten Probleme mit der Gemeinde hat und dann kommt noch so etwas hinzu, dann fragt man sich, wieso man das überhaupt noch macht.“

Die Schiedsrichter haben keinen leichten Job, dessen ist sich Schloesser sehr wohl bewusst, doch die Fehler liegen seiner Meinung nach nicht immer nur auf der Seite der Vereine oder der Zuschauer: „die Schiedsrichter sind nicht immer nur die Opfer”. Und da es zu wenige Unparteiische gibt, hat er manchmal das Gefühl, dass vereinzelte Spielleiter sich alles erlauben können, da sie kaum Konsequenzen zu befürchten haben. „Der Schiedsrichtermangel an sich ist nicht alleine nur die Schuld der Vereine und Zuschauer, da muss die FLF sich auch an die eigene Nase fassen und intern die Probleme lösen. Es ist nicht normal, dass Top-Leute wie Kopriwa (d.Red.: der in Walferdingen lizenziert ist) und Durieux, um nur diese zu nennen, so früh aufhörten.“

Schloesser habe die Spieler vor der Saison gewarnt, dass man als unbekannter Aufsteiger wohl nicht oft die Gunst der Unparteiischen haben werde: „es geht nicht um Geschenke, sondern um eine faire Spielleitung. Ein Schiedsrichter kann Fehler machen, das ist absolut in Ordnung, nur sollte er immer neutral bleiben. Man darf natürlich nicht alle in einen Topf schmeißen, es gibt sehr gute Schiedsrichter” erklärte Schloesser, der auch einräumt, manchmal zu emotional zu sein.

// Update 18.2.24, 09:45 Uhr //

„Gilles Becker ist meines Erachtens zum Beispiel ein Top-Schiedsrichter, da er erstens ein sehr guter Spielleiter und darüber hinaus sehr kommunikativ ist und ein sehr angenehmes Auftreten hat.“ Man solle nicht vergessen, dass Schiedsrichter gegenüber den freiwilligen Helfern einen sehr angenehmen Stundenlohn erhalten und deshalb sei das oft herablassende Benehmen von Unparteiischen gegenüber Vereinsverantwortlichen schwer ertragbar, schilderte Schloesser eigene Erfahrungen: „es heißt immer ‚ohne Schiedsrichter kein Spiel‘, ich würde dem allerdings gerne hinzufügen ‚ohne Freiwillige keinen Verein‘! Die Kommunikation zwischen allen Seiten muss einfach besser werden und es muss viel mehr miteinander anstatt gegeneinander gearbeitet werden. Da schließe ich mich selbst definitiv nicht aus“ so Schloesser.

Es gab am Ende keine Genugtuung mehr, es staute sich Wut auf und das wollte sich Schloesser nicht mehr antun. Der Zeitpunkt scheint gekommen, dass neue Verantwortliche neue Impulse setzen können. Ein neuer Elan wird es dann vielleicht ermöglichen, die nicht abgeschlossenen Projekte umzusetzen. „Wir haben den Sockel gebaut“ so Santinelli. „Es ist mir wichtig zum Abschluss zu sagen, dass wir das alles nur fertiggebracht haben, da wir auf gute Leute im Verein zählen konnten.“ Besonders erwähnt er die Jugendkommission um Frau Diderich und Frau Stephany in diesem Zusammenhang. „Wenn wir wie Hauptberufliche in unseren Ämtern funktionieren und uns entsprechend organisieren und verhalten müssen, dann haben die Gemeinde und auch die FLF nicht verstanden, dass wir Ehrenamtler sind. Soll man professionell arbeiten, dann müssen uns diese Autoritäten dabei unterstützen, um uns zu entlasten.“

Dass es bei dieser Aussage nicht nur, aber auch z.B. um technische Lösungen von Spielsperren im Extranet des Verbandes geht, durch die man die „Coupe FLF“ vermutlich nicht am grünen Tisch verloren hätte, scheint offensichtlich. So treten Santinelli und Schloesser nicht ohne faden Beigeschmack zurück, hinterlassen aber einen gesunden und soliden Verein, der eine bemerkenswerte Entwicklung genommen hat, wenn man bedenkt, dass es noch keine sieben Jahre her ist, dass die Lichter fast für immer ausgegangen wären.

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Aufrufe: 017.2.2024, 10:00 Uhr
Paul KrierAutor