Türkgücü München polarisiert. Beim Klub aus der Landeshauptstadt herrschte in den vergangenen zehn Jahren ein atemberaubendes Kommen und Gehen, wie bei anderen Vereinen wahrscheinlich in drei Jahrzehnten nicht. Einer trotzte allen Stürmen: Alper Kayabunar war und ist immer noch da - und hat viel zu erzählen.
Die ständigen Diskussionen um den Verein - Insolvenz oder Stadionfrage beispielsweise - kennt natürlich auch Alper Kayabunar nur zu gut. Über die Jahre hat er sich ein dickes Fell zugelegt. So schnell bringt ihn nichts aus der Fassung. "Ich bin jetzt seit 13 oder 14 Jahren hier, so genau weiß ich es gar nicht. Ich kann mich an kein ruhiges Jahr erinnern", meint er süffisant lächelnd und konstatiert dann nüchtern: "Ich bin es nicht anders gewohnt."
Seine ersten Gehversuche als Coach machte Kayabunar als Spielertrainer der zweiten Mannschaft von Türkgücü München. Schnell arbeitete er sich nach oben und übernahm die Landesliga-Mannschaft...
Dann betrat Hasan Kivran die Bühne. Der deutch-türkische Unternehmer verordnet dem Klub, groß zu denken. Unbedingter Erfolg lautet die Losung. Es soll steil nach oben gehen, und zwar schnell. Das Ende ist bekannt: Nach dem Höhenflug folgte der jähe Absturz. Kivran zog sich zurück, Türkgücü musste im Frühjahr 2022 den Spielbetrieb in der 3. Liga einstellen. Das Desaster war perfekt, Hohn und Spott aus der ganzen Republik ergossen sich über den Klub. Doch Kayabunar bleibt.
"Man kann über Hasan Kivran denken, wie man will. Aber ich habe ihm sehr, sehr viel zu verdanken. Er war ein großer Förderer von mir, hat es mir ermöglicht, alle Lehrgänge bis hin zur A-Lizenz zu machen und hat immer an mich geglaubt", erzählt Kayabunar und erinnert sich an die Jahre unter dem Erfolgsmenschen Kivran: "Es war sehr intensiv. Er hat im Gegenzug auch sehr, sehr viel eingefordert. Von allen. Ich sollte beispielsweise auch noch die U19 nebenbei coachen, das wollte er so. An vielen Tagen war ich bis 22 Uhr auf der Sportanlage. Aber es hat sich gelohnt, wir haben binnen weniger Jahre und dank der besonderen Konstellation in der Corona-Zeit die A-Jugend von der Kreisliga in die Landesliga geführt. Im Nachhinein muss ich sagen: Das war das Beste, was mir passieren konnte. Neben der Tätigkeit als Co-Trainer der ersten Mannschaft noch die U19 zu coachen."
Eine Anekdote mit Hasan Kivran ist ihm in besonderer Erinnerung geblieben: "Es wurden namhafte Trainer zu Türkgücü geholt, ich sollte wieder als Co-Trainer arbeiten. Das hat mich geärgert, denn ich dachte damals schon, ich wäre ein Top-Trainer. Hasan Kivran nahm mich zur Seite und sagte: Willst du Profi werden oder nicht? Ich habe gesagt: Natürlich will ich Profi werden! Er meinte: Dann vertraue mir."
Und das Vertrauen wird belohnt. Als Türkgücü erneut einen Trainer verschleißt und Peter Hyballa nach gut zwei Monaten wieder vor die Tür setzt, schlägt die Stunde von Alper Kayabunar. Er übernimmt interimistisch als Cheftrainer: "Ich stand mit 36 Jahren als Coach im Olympiastadion gegen den FSV Zwickau in der Verantwortung. Ich muss zugeben, das war bislang der aufregendste Tag in meinem Leben."
Ganz so aufregend ist es derzeit eher nicht. Sportlicher Überlebenskampf in der Regionalliga Bayern lautet der gegenwärtige Alltag von Türkgücü München. Bis kommenden Sommer läuft der Vertrag von Alper Kayabunar noch. Was kommt dann? Geht`s für ihn an der Heinrich-Wieland-Straße weiter? "Ich würde gerne unter professionellen Bedingungen arbeiten und den nächsten Schritt in meiner Laufbahn machen. Aktuell tut sich da aber noch nichts, es hat bislang keine Gespräche gegeben. Das ist aber ohnehin zweitrangig, die Priorität liegt klar darauf, den Klassenerhalt in der Regionalliga noch zu schaffen."
Gerne tauscht er sich mit seinen Spezln Andy Pummer und Michi Hofmann aus. Die turbulente Zeit mit Türkgücü hat das Trio zusammengeschweißt. "Wir haben uns ja öfters gesehen als unsere Familien", lacht Kayabunar und betont: "Wir sind sehr, sehr gute Freunde geworden und reden natürlich auch viel über private Dinge."
Fußball ist und bleibt aber das bestimmende Thema im Leben von Alper Kayabunar. Seit Kurzem coacht auch wieder die U19 von Türkgücü München - und das ziemlich erfolgreich: "Wir konnten zum Abschluss vor der Winterpause Wacker Burghausen mit 6:1 schlagen und sind dadurch auf einen Nichtabstiegsplatz geklettert." A-Jugend und Alper Kayabunar, das scheint zu passen. "Das liegt mir und macht auch richtigen Spaß. U17 und darunter wäre, glaube ich, eher nichts für mich."
Auch in der leidigen Stadiondebatte hat Alper Kayabunar eine klare Meinung: "Natürlich nervt dich das auch als Trainer, wenn das jedes Jahr wieder hochkommt. Ich liebe beispielsweise das Grünwalder Stadion, aber wir sind dort nicht daheim. Die Lösung mit dem Dantestadion finde ich persönlich sehr gut, wir fühlen uns da sehr wohl. Bei den Platzbedingungen ist allerdings noch Luft nach oben, der Rasen muss besser werden."
Egal wo Alper Kayabunars Weg in Zukunft hinführen wird, Türkgücü München wird für ihn immer etwas ganz Besonderes bleiben: "Der Verein ist mir ans Herz gewachsen." Was wünscht er sich für "seinen" Klub, der eigentlich nur Turbulenzen kennt? "Es wäre schön, wenn Ruhe einkehrt. Das Potential für Regionalliga ist da, allerdings sollte aus alten Fehlern gelernt werden. Es wäre zudem wünschenswert, dass die U19 die Bayernliga hält und der Verein einfach eine gute Adresse in München wird."