Vor 25 Jahren ist die SpVgg Unterhaching in die Bundesliga aufgestiegen. Ein wichtiger Mann im Oberhaus war Offensivspieler André Breitenreiter.
Unterhaching – Wenn er wieder mal getroffen hatte und der Stadionsprecher seinen Namen ins Mikrophon brüllte, ergänzten die Fans den Torschützen mit dem Zusatz „Fußball-Gott“. André Breitenreiter kam spät zur SpVgg Unterhaching, er wurde trotzdem der erfolgreichste Torschütze der Hachinger Bundesliga-Geschichte – und später ein Top-Trainer.
Es gab zu den großen Hachinger Zeiten nur zwei Spieler, die einen eigenen Fanclub hatten: Da war zum einen der langjährige Publikumsliebling Fonsi Garcia (heute 55), der sich schon zu Regional- und Zweitliga-Zeiten mit seiner sympathischen Art und vielen Toren in die Herzen der Anhänger schoss. Der zweite war ebenfalls ein Stürmer, der aber erst in der Bundesliga zur SpVgg stieß. Das war André Breitenreiter (heute 51) dessen Fanclub sich sehr spitzfindig-originell „Die breiten Reiter“ nannte.
In 49 Bundesliga-Spielen erzielte der in Langenhagen bei Hannover geborene deutsche Junioren-Nationalspieler, der es in seiner gesamten Karriere auf 28 Treffer in 144 Partien im deutschen Oberhaus brachte, 15 Tore für die SpVgg. „Das ist doch gar nicht so schlecht für einen kleinen Verein“, blickt er heute zurück. Damit ist er Hachings Rekord-Torschütze in der ersten Liga – vor Altin Rraklli (10), Oliver Straube (7) und Markus Oberleitner (6). Dabei traf „Breite“ sowohl in seinem ersten als auch in seinem letzten Bundesliga-Spiel im rot-blauen Dress.
Es ist genau 25 Jahre her, dass Trainer Lorenz Köstner (heute 72) und Manager Norbert Hartmann (68) bei ihrer monatelangen Suche nach einer Verstärkung für die Offensive fündig wurden. Ende November 1999 konnte endlich die ersehnte Alternative für den Hachinger Sturm verpflichtet werden: Ein Angreifer, der schon für Hannover 96 (72 Spiele, 10 Tore) und den Hamburger SV (71/12) auf Torejagd gegangen war, 1992 mit Hannover den DFB-Pokal geholt hatte und 1993 bei der Junioren-WM in Australien am Ball war. Es war André Breitenreiter, zuletzt, auch verletzungsbedingt, unter Trainer Wolfgang Wolf nur Bankdrücker beim VfL Wolfsburg – nach Wiggerl Kögl und Marco Haber der nächste Hochkaräter für Haching. Und wieder einer, der die Erwartungen voll erfüllte und als „bester Joker der Liga“ (7 Tore in 19 Spielen) wesentlichen Anteil am Klassenerhalt hatte.
„Ich habe verwandelt, aber Schiedsrichter Merk ließ den Strafstoß wiederholen. Ich hab‘ dann auch beim zweiten Mal getroffen – das war für mich der Startschuss für eine großartige Zeit in Unterhaching.“
André Breitenreiter über sein erstes Haching-Tor heute vor 25 Jahren
Seine Qualitäten stellte der Niedersachse gleich bei seinem Debüt für Haching unter Beweis. „Klar erinnere ich mich noch an dieses Spiel“, sagt er. Heute vor exakt 25 Jahren, am 5. Dezember 1999, wurde Breitenreiter im Heimspiel gegen Arminia Bielefeld (Trainer: Hermann Gerland) beim Stand von 1:0 (Alex Strehmel hatte mit seinem ersten Saisontor getroffen) in der 60. Minute eingewechselt – und traf zwölf Minuten später die Latte. „Ich dachte nur: ‚Jetzt geht das schon wieder los‘“, erinnert er sich.
Es wurde aber doch noch ein Einstand nach Maß für den Neuzugang, der am 29. November seinen Vertrag in Wolfsburg aufgelöst hatte. Elfmeter nach Foul von Jörg Böhme an SpVgg-Kapitän Matthias Zimmermann in der 87. Minute: „Oli Straube wollte antreten, aber Lorenz Köstner rief von draußen: ,André, du schießt!‘ Das war ein Ausdruck von großem Vertrauen und Wertschätzung. Ich habe verwandelt, aber Schiedsrichter Merk ließ den Strafstoß wiederholen. Ich hab‘ dann auch beim zweiten Mal getroffen – das war für mich der Startschuss in eine großartige Zeit in Unterhaching.“
„Er war zusammen mit Felix Magath der wichtigste und prägendste Trainer meiner Karriere.“
André Breitenreiter über Lorenz Köstner
Eine Zeit, an die er „bis auf den Abstieg 2001“ nur gute Erinnerungen hat: „Ich hatte in meiner Karriere sehr schöne Stationen, die sportlich erfolgreichste Zeit mit dem allerhöchsten Stellenwert als Spieler war die SpVgg – alles ganz eng verknüpft mit Köstner. Haching war wie eine Familie und Lorenz war der Vater, manchmal auch ein strenger Vater.“
Der Ex-Profi erzählt: „Vertrauen, Wertschätzung, Zuckerbrot und Peitsche, immer ehrlich und authentisch sein und auf die Spieler zugehen – das sind Charaktereigenschaften, die auch in meine Trainer-Philosophie eingeflossen sind.“ Noch ein Lob für den Ex-Coach: „Er war zusammen mit Felix Magath der wichtigste und prägendste Trainer meiner Karriere.“ Köstner über Breitenreiter: „Das hat gepasst. Er war eine ganz wichtige Verstärkung für uns und ein Spielertyp, den wir noch nicht hatten – ein richtiges Schlitzohr und ein kopfballstarker Schleicher, den man immer anspielen konnte.“
Heute lebt Breitenreiter mit Ehefrau Claudia am Stadtrand von Hannover („War immer mein Lebensmittelpunkt“), die Kinder Clara (25/studiert in Stockholm und ab Januar in Lissabon) und Emil (21/Physiotherapeut und B-Jugendtrainer) sind aus dem Gröbsten raus – und er wartet, bis ein neues Job-Angebot kommt, mit dem er sich voll identifizieren kann: „Ich will um Titel mitspielen können, etwas entwickeln und suche eine spannende Herausforderung. Strahlende Gesichter und Freude wie in Haching sind meine Motivation.“ Und er fügt an: „Es gibt regelmäßig Anfragen. Aber ich bin geduldig und warte bis das Richtige kommt. Ich mache nur noch Dinge, von denen ich überzeugt bin, die Chemie muss stimmen.“
Klar: Der Fußball-Lehrer (Jahrgangs-Drittbester 2013) hat in seiner Trainer-Laufbahn, die er im Januar 2011 beim TSV Havelse in der Regionalliga begann, schon so viel erreicht, dass er nicht mehr jedes Angebot annehmen muss. Breitenreiter gelangen zwei Bundesliga-Aufstiege: 2014 führte er den SC Paderborn zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in die erste Liga. 2017 schaffte er mit Hannover 96, seinem Heimatverein, den Sprung ins Oberhaus. Und 2022 feierte er mit seiner ganzen Familie auf dem Zürcher „Volkshaus“-Balkon mit 10.000 Fans auf dem Helvetiaplatz die 13. Schweizer Meisterschaft des FC Zürich. „Das war einzigartig, der allergrößte Erfolg.“
„Er hat sich nie verbiegen lassen.“
Lorenz Köstner über André Breitenreiter
Zudem wurde er mit Schalke 04 Bundesliga-Fünfter und trainierte Hoffenheim. Zuletzt war der ehemalige SpVgg-Stürmer Trainer beim englischen Zweitligisten Huddersfield Town, seinen Vertrag löste er im Sommer auf: „Es war eine Super-Erfahrung, aber ich war nicht überzeugt, dass es das Richtige für die Zukunft ist.“
Das ist genau die konsequente Haltung, die Breitenreiter immer an den Tag legte. Schon damals in Haching. „Er hat sich nie verbiegen lassen“, erinnert sich Köstner an den Stürmer mit der Rückennummer 26, der am 19. Mai 2001 „auf Schalke“ zum letzten Mal im Oberhaus das SpVgg-Trikot trug. Und auch da traf: Sein 1:0 ließ noch einmal Hoffnung auf den Klassenerhalt aufkommen. Das bittere Ende ist bekannt. Haching verlor 3:5, das „Abenteuer Bundesliga“ war zu Ende– für die SpVgg und ihren „Fußball-Gott“…