Der vereinslose Yassin Ben Balla hat zwei Tage bei 1860 vorgespielt. Nun denken die Münchner Löwen über eine Verpflichtung des 28-Jährigen nach.
München – Monat der Weichenstellungen, nicht nur in der großen Politik. Heute erfährt die 1860-Gemeinde, ob Anton Hiltmair neues KGaA-Oberhaupt im Staate Giesing wird. Sascha Königsberg, Vorsitzender des Verwaltungsrats, hat angekündigt, das Ergebnis der Wahlnacht öffentlich zu machen. Bislang haben tatsächlich alle neun Wahlmänner dichtgehalten (acht plus Beatrix Zurek) – obwohl das Misstrauensvotum der Basis in Sandhausen eindeutig war („Verp... dich, du rote Sau“). Am Tag danach wird sich dann zeigen, in welche Richtung die Löwen sportlich steuern. Heimsieg gegen den SV Waldhof (Samstag, 14 Uhr) – und 1860 winkt eine goldene Länderspielpause. Zuletzt war Giesing allerdings keine blaue Hochburg, sondern ein schwer kalkulierbarer Swing State (meistens gewinnt der Gegner). Doch nur wenn die Heimspielampel dauerhaft auf Grün springt, kann sich Argirios Giannikis sicher sein, dass nicht doch zeitnah noch die Vertrauensfrage gestellt wird.
So viel zur beherrschenden Tagespolitik an der Grünwalder Straße. Die Mannschaft genießt es, dass die Aufmerksamkeit derzeit woanders liegt, auch durch ihren 3:0-Coup von Sandhausen, der alles ein bisschen entspannt hat. Chefcoach Giannikis kann unbehelligt von lästigen Fragen an der sportlichen Zeitenwende arbeiten. Und er hatte, weitgehend unbemerkt vom Umfeld, einen Gast im Trainingsbetrieb begrüßt: Yassin Ben Balla (28), der schon 2. Liga gespielt hat (Braunschweig, Ingolstadt). Ein vereinsloser Sechser, der 1860 letztes Jahr in den Duellen mit Sandhausen begegnet ist. Der Wandervogel aus Nordfrankreich (neun Stationen) mischte zwei Tage mit. Donnerstag, als vor dem Waldhof-Spiel der Vorhang zuging, war er schon wieder weg. Nachgefragt bei Sportchef Christian Werner: „Wir haben ihn angeschaut, er hat körperlich einen guten Eindruck gemacht. Jetzt prüfen wir, ob wir ihn verpflichten.“
Wird‘s also doch noch was mit einem defensiv denkenden Sechser an der Seite des immer dominanter auftretenden Thore Jacobsen? Was für Ben Balla spricht: Er bringt reichlich Erfahrung mit, mehr jedenfalls als Tim Kloss und Moritz Bangerter. Was die Ballsicherheit angeht, muss er sich auch vor Marlon Frey nicht verstecken. Doch ist er auch besser als Tunay Deniz, der als offensiv denkender Stratege momentan als Sechser aushilft? Zweifel sind angebracht, sonst hätte Ben Balla nicht seit Sommer über die Dorfplätze tingeln müssen. Zuletzt hielt er sich bei der Reserve von Paderborn II fit.
Werner klingt unentschlossen, und tatsächlich stellt sich die Frage: Holt man jetzt einen Ergänzungsspieler, ohne dass eine echte Notsituation besteht? Oder geht man lieber im Winter aufs Ganze und klopft bei Kandidaten an, die schon im Sommer ein Thema waren (u.a. Simon Rhein, zuletzt Rostock)? Am Ende womöglich auch eine Frage, die der neue Finanzchef beantworten muss. Zumindest was die Causa Hiltmair angeht, soll es ja heute Klarheit geben.