2024-11-28T14:04:44.763Z

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Beim FC Ergolding war Christian Schießl zweimal sehr erfolgreich tätig.
Beim FC Ergolding war Christian Schießl zweimal sehr erfolgreich tätig. – Foto: Andreas Feldl

Christian Schießl: »Auf einmal stand ein Party-Bus in meinem Hof«

Trainer, die man kennt (11): Der erfahrene Coach machte den TV Schierling und den FC Ergolding zum Bezirksliga-Champion

Die Corona-Pandemie hat den Spielbetrieb im Amateurfußball aus den Fugen gehoben. FuPa nutzt die spielfreie Zeit, um einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Nach der erfolgreichen Portrait-Serie über ehemalige Spielergrößen des niederbayerischen Fußballs nehmen wir nun bekannte Übungsleiter unter die Lupe. Im elften Teil geht es um Christian Schießl (46), der Mitte der 2000er-Jahre erst den TV Schierling und nur zwei Spielzeiten später den FC Ergolding jeweils als Meister in die damalige Bezirksoberliga führte. Später erlebte der Pädagoge bei der SpVgg Landshut eine kurze, aber enorm erfolgreiche Zeit, in der er beim Auswärtsspiel in Vilzing einen ganz besonderen Coup landete.

Schönste Saison deiner Trainer-Laufbahn....
Das ist relativ eindeutig die Saison 2008/2009. Es war ein großes Erlebnis, bei der SpVgg Landshut Trainer zu sein. Es gab zahlreiche Turbulenzen im Umfeld, die aber komischerweise die Mannschaft nur noch mehr angestachelt haben. Zudem war es für mich als sehr junger Trainer top interessant mit Spielern zu arbeiten, die ein sehr hohes Niveau hatten. Als Trainer ist es immer am wichtigsten die Leute zu erreichen und zu motivieren. Ich hatte hierbei schon meine Bedenken, ob ein Beppo Cafariello sich etwas von einem Christian Schießl sagen lässt. Ich hatte meine klaren Vorstellungen und wenn du die als Trainer nicht hast, kannst du gleich zuhause bleiben. Es hat aber perfekt harmoniert und die Mannschaft hat im Verlauf der Rückrunde genau den Fußball gespielt, den ich mir immer vorgestellt habe: sehr coolen Offensivfußball mit einer irrsinnigen Leidenschaft. Das Entscheidungsspiel um die Vizemeisterschaft in Ihrlerstein gegen den ASV Neumarkt, war das beste Spiel, das ich jemals von der Seitenlinie aus coachen durfte. Es hat alles gepasst und wir haben 5:0 gewonnen. Leider haben wir in der Folge dennoch den Aufstieg in die Bayernliga verpasst.


Welcher Spieler, hat dich in deiner Zeit als Übungsleiter besonders beeindruckt....

Das waren sehr viele Spieler. Gerade beim SSV Jahn Regensburg waren hochtalentierte Spieler dabei. Das Oberpfälzer Trio Markus Dietl, Christoph Schwander und Phillip Ziereis wird mir immer in Erinnerung bleiben, weil das erstens super Jungs waren, zweitens aber auch als fußballspielende Wohngemeinschaft in dem jungen Alter eine Riesenbereicherung. Von der sportlichen Qualität brauchen wir da gar nicht zu reden. Christoph schafft es vielleicht wirklich noch - wenn er nicht wieder zu viel jammer - mit der DJK Vilzing ein Regionalligaspieler zu werden. Markus hat sich für den Beruf und seinen Heimatverein entschieden, dafür gebührt ihm mein höchster Respekt. Phillip ist ein gestandener Zweitligaspieler beim Kultverein FC St. Pauli. Am meisten Zeit und am meisten Eigeninitiative habe ich aber beim TV Schierling mit Christian Brunner verbracht. Es gab keinen Spieler, den ich mehr gezeigt und gefördert habe und es gab auch keinen Spieler, der mehr zurückgezahlt hat. Er hat alles angenommen und der Aufstieg des TV Schierling war ganz klar mit seinem Namen verbunden. Du kannst dir als Trainer immer tausend Sachen ausdenken, aber wenn dann einzelne Spieler auf dem Platz nicht das Blatt rumreißen, schaut es letztendlich schlecht aus. Christian hat dies sehr, sehr oft gemacht und war darum mit Sicherheit mein Lieblingsspieler und dafür bin ich ihm jetzt noch dankbar.


Bei welchem Verein hattest du deine schönste Zeit..
Bei allen Vereinen. Ich bin ein Trainer, der sehr großen Wert auf eine gute Stimmung legt, darum war dies überall gut. Ich habe mit dem TV Schierling sehr viel erlebt und das wird immer in Erinnerung bleiben. Die kameradschaftlich beste Saison war aber die Saison 2015/16 in Ergolding. Die Mannschaft war nach dem Desaster-Abstieg mit ein paar Punkten gar nicht mehr gewohnt sich zu freuen und ein Spiel zu gewinnen. Technisch war das Team hervorragend, aber mit dem Ehrgeiz haperte es gewaltig. Im Laufe der Saison schlug die Stimmung und der Ehrgeiz aber massiv ins Positive um und es hat niemals soviel Spaß gemacht wie in dieser Saison. Eine ganz besondere Antriebsfeder war hier Daniel "Timex" Treimer, der in unermüdlicherweise als Vergnügungswart der Mannschaft grandiose Feiern organisiert hat. Meine Nachbarn freuen sich heute noch über den Party-Bus, der auf einmal bei mir im Hof stand ;-)

Mit welchem Abteilungsleiter/Manager hast du besonders gerne zusammengearbeitet...
Natürlich mit dem "Huber Blitz" beim TV Schierling. Er hat mich von der ersten Minute an unterstützt, mir sehr viele Sachen gelernt und wir haben den TV Schierling nachweislich zu einer sehr, sehr erfolgreichen Zeit geführt. Er hat ein hervorragendes Auge in Sachen Spieler-Scouting und ohne diese Fähigkeit hätte der TV Schierling niemals Landesliga gespielt.

– Foto: Dirk Meier

Welcher Trainer hat dich in deiner aktiven Zeit besonders geprägt...
Gar keiner. Ich habe aktiv Fußball bei meinem Heimatverein in Laberweinting gespielt. Das Training, das ich hierbei oft erlebt habe, war sehr oft von vielen Laufeinheiten geprägt. Das war noch nie mein Ding :-) Zudem hatte ich oft Probleme mit dem künstlichen Autoritätsstil in der damaligen Zeit. Gut, dass die Zeit dieser Trainingsmethoden und Führungsstile vorbei ist. Ich habe mich dann schon im Alter von 21 Jahren entschieden, die Trainerlaufbahn einzuschlagen. Bei meinen fußballerischen Fähigkeiten war das absolut die richtige Entscheidung.

Hast du irgendetwas in deiner Laufbahn bereut...
Ja, ich hätte in jüngeren Jahren noch weitere Trainerlizenzen machen sollen. Das war ganz klar ein Fehler.

Gibt es ein Spiel, das du nie vergessen wirst....
Das war ein 1:1-Unentschieden mit der SpVgg Landshut bei der DJK Vilzing. Wir waren mit nur zwölf gesunden Spielern nach Vilzing gereist. Nach ein paar Minuten musste ich verletzungsbedingt zum ersten Mal wechseln und kurz darauf sah Keeper Stefan Schmid die rote Karte. Wir hatten also beim Top-Spiel in Vilzing nur noch zehn Mann auf dem Platz, keinen Torwart mehr und auch keinen Auswechselspieler. Zudem verwandelte Vilzing den fälligen Elfmeter beim Schmid-Platzverweis zum 1:0. Wir durften aber das Spiel nicht verlieren. Notgedrungen gab ich in der Halbzeit den Plan aus, jetzt 35 Minuten nicht mehr nach vorne zu spielen, sondern nur das eigene Tor mit einem Feldspieler im Tor zu verteidigen und den Ball so viel wie möglich in den eigenen Reihen zu halten. Wir hofften somit den Gegner schläfrig zu machen und kein weiteres Tor zu bekommen. In der 80. Minute gab es dann ein akustisches Zeichen von der Bank und wir änderten sowohl komplett die Spielweise als auch die Aufstellung. Alle zehn Mann agierten extrem offensiv und versuchten irgendwie, in den verbleibenden zehn Minuten ein Tor zu erzielen - mit der Hoffnung, dass das Spiel dann bald aus ist. Dies gelang dann tatsächlich in der 88. Minute durch einen Treffer von Beppo Cafariello und somit war der nötige Punkt eingetütet. Eine brutale Kampfleistung und laut meiner Spieler eine taktische Meisterleistung.

Früher war im Fußball alles besser - wie denkst du über diese heutzutage gerne aufgestellte Behauptung....
Fußball hängt nun mal an gesellschaftlichen Prozessen. Es wird immer Veränderungen geben - Gott sei Dank. Es gibt nichts Schlimmeres als statische Systeme bzw. Organisationen. Kritisch sehe ich die finanziellen Entwicklungen im Amateurfußball. Gerade im unteren Amateurbereich ein absolutes Unding. Ich kann hier die Intention einzelner Vereine nicht verstehen, aber das muss jeder Verein selber entscheiden. Zudem hat der Amateurfussball mit extremen Veränderungen im gesellschaftlichen Bereich zu kämpfen. Wir haben aktuell extrem hohe Studentenzahlen. Gerade diese sind unter der Woche nur schwer greifbar. Früher war gerade der Anteil der ortsansässigen Handwerker doch viel größer. Das wirkt sich natürlich auf den Trainingsbetrieb aus. Wenn man hierzu noch die Entwicklungen in der Schichtarbeit nimmt, dann dünnt sich die Zahl der Dauerbrenner im Training doch sehr stark aus. Als Trainer musst du heutzutage notgedrungen viel kulanter sein, weil was soll ich zu einem BMW-Arbeiter sagen, wenn er nicht ins Training kommen kann, weil er Spätschicht in Dingolfing hat. Die Trainingsschwänzer gab es schon immer. Jetzt fallen sie nur vielmehr auf, weil man auf jeden Einzelnen angewiesen ist.

Welche Art der Mannschaftsführung favorisiert du bzw. hast du favorisiert...
Einen menschlichen, aber auch autoritären Führungsstil. Aber auf keinen Fall eine künstliche Autorität.

Wie kann/hat dich ein Spieler auf die Palme bringen können....
Unentschuldigtes Fernbleiben vom Training. Das hat etwas mit Anstand zu tun.

Gibt es im Profibereich einen Trainer, den du richtig gut findest...
Es gab immer nur einen Trainer, der mich inspiriert hat: Jürgen Klopp. Das war aber auch schon zu Mainzer Zeiten so.

Größte Enttäuschung deiner Karriere...
Ich habe mal mit der A-Jugend der TV Schierling saublöd als amtierender Meister ein Aufstiegsspiel auf neutralem Ort verloren. Das war zwar schon im Jahr 2001, aber das nervt mich immer noch.

Was hältst du von dem Trend, dass immer mehr Vereine auf sehr junge Spielertrainer setzen?
Das kann ich im unteren Amateuerbereich absolut verstehen. Es ist immer schwieriger, unter den schwierigen Bedingungen, Trainer zu finden. Als Trainer kannst du nur maximal wirken, wenn du unter der Woche mit den Jungs arbeiten kannst. Aber wo ist denn das noch der Fall?! Ich trainiere aktuell selber meinen Heimatverein VfR Laberweinting in der A-Klasse. Große taktische Inhalte sind nur am Freitag möglich, weil unter der Woche viele nicht da sind. In der Neuzeit hat hier ein junger dynamischer Spielertrainer einen Vorteil. Er selbst verstärkt solche Teams auf dem Feld brutal und steuert somit taktische Inhalte während eines aktiven Spiels. Das ist als Trainer durchaus schwieriger. Solche Spielertrainer scheitern wenn dann immer an menschlichen Komponenten und dem nicht vorhandenen Führungsstil oder besser gesagt an der nicht vorhandenen Führungskompetenz. Ein Trainer braucht ein funktionierendes Trainingsniveau, um sinnvoll wirken zu können. Viele gute Trainer akzeptieren genau diese Diskrepanz in der Realität nicht mehr und machen auch nichts mehr. Das ist natürlich sehr schade, denn ich denke die gute Mischung würde es machen. Ich kenne aber auch junge Spielertrainer, die einen hervorragenden Job machen und die mit dieser schwierigen Situation wesentlich entspannter und flexibler umgehen. Sollte es dann irgendwann mal ein Spielertrainer-Quintett geben, dann habe auch ich kapiert, dass meine Zeit endgültig vorbei ist.



Zur Person:
Christian Schießl begann seine Trainerkarriere im Jahr 2000 mit erst 26 Jahren beim TV Schierling, mit dem er 2004 die Meisterschaft in der Bezirksliga West feierte und in der folgenden Spielzeit den Klassenerhalt in der Bezirksoberliga schaffte. Danach wechselte er zum Bezirksligisten FC Ergolding, dem er ebenfalls zum Titel und somit zum Aufstieg in die niederbayerische Beletage verhalf. Nach einer zweijährigen Auszeit als Herrentrainer heuerte der Lehrer 2008 bei der SpVgg Landshut an, die er auf Anhieb zur Vizemeisterschaft in der Landesliga Mitte führte. Allerdings scheiterte der Traditionsklub in der Relegation zur Bayernliga.

Nach nur einem Jahr kehrte Schießl dann als A-Jugendtrainer zum TV Schierling zurück und wurde kurz vor der Winterpause auf den Trainerposten der Herrenmannschaft befördert, die gerade erstmals in der Vereinsgeschichte in die Landesliga vorgestoßen war. Schießl übernahm nach dem Rücktritt von Aufstiegscoach Jochen Freidhofer, konnte den Abstieg aber nicht mehr verhindern. Anschließend wechselte er ins U19-Betreuerteam des Jahn, um 2014 nach dreieinhalb Jahren erneut nach Schierling zurückzukehren. Mit dem TV schaffte er den Verbleib in der Landesliga und trat dann 2015 zum zweiten Mal in den Dienst des FC Ergolding, mit dem er Vizemeister der Bezirksliga West wurde, den Aufstieg allerdings in der Relegation verpasste. Seit 2019 fungiert der mittlerweile bei der Regierung von Niederbayern beschäftigte Pädagoge als Übungsleiter bei seinem Heimatverein VfR Laberweinting in der A-Klasse Mallersdorf.

– Foto: Andreas Feldl

Aufrufe: 011.6.2020, 13:30 Uhr
Tobias WittenzellnerAutor