2024-09-18T12:22:00.113Z

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Einsamer Rufer: Hört die Mannschaft nicht auf den Löwen-Trainer? Argirios Giannikis steht nach verpatztem Saisonstart jedenfalls massiv unter Druck.
Einsamer Rufer: Hört die Mannschaft nicht auf den Löwen-Trainer? Argirios Giannikis steht nach verpatztem Saisonstart jedenfalls massiv unter Druck. – Foto: IMAGO/Ulrich Wagner

Endspiel? „Nix gehört“ – Giannikis glaubt, dass bei 1860 weiter alle an einem Strang ziehen

Das Gegenteil eines Wespenschwarms

Nach lediglich drei Punkten aus den ersten fünf Ligaspielen neigt sich die Zeit von Trainer Argirios Giannikis beim TSV 1860 München dem Ende.

München – Ein entscheidendes Spiel steht an – davon ist aber nichts zu spüren, als der TSV 1860 München am Donnerstag um 13 Uhr zur Presserunde mit dem Trainer bittet. Im Stüberl kaum was los, obwohl die Sonne schön in den Biergarten scheint. Fanshop leer, auch am Ticketschalter steht keiner an. Vorher wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert, das könnte erklären, warum sich ungewohnt wenige Menschen auf dem Gelände herumtreiben – abgesehen von den Profis, die frisch geduscht zum Parkplatz huschen. Die meiste Unruhe geht von einem Wespenschwarm aus, der sich an einer Mauerecke niedergelassen hat. Aufgeregt schwirren die Tierchen hin und her – was für ein Kontrast zum Trainer, der pünktlich die Treppe zum Medienraum hoch federt, äußerlich entspannt wie immer.

Handschlag-Begrüßung mit den Reportern – an diesem Ritual hält Argirios Giannikis auch in Krisenzeiten fest. Die Schlagzeilen unter der Woche zeugten vom Ernst der Lage, doch der erfolgsentwöhnte Coach ist keiner, der auf beleidigte Leberwurst macht (anders als mancher Vorgänger). Geduldig beantwortet er jede Frage – auch jene nach der erhöhten Drucksituation, die am Samstag schlimmstenfalls zu seiner Entlassung führen könnte. Nur halbherzig wurde von den Verantwortlichen dementiert, dass ein Ultimatum im Raum stehe. Bei einer Niederlage in Bielefeld, jeder im Verein weiß das, könnte für den Trainer der Abpfiff erfolgen. Giannikis sagt: „Ich habe nix gehört. Mir ist wichtig, was intern gesprochen wird. Christian Werner hat gesagt, dass Ruhe bewahrt wird. Ich habe auch nach wie vor das Gefühl, dass intern alle an einem Strang ziehen – und alle voll an den Turnaround glauben.“

Der Umbruch beim TSV 1860 München hält an

Giannikis selbst tut sich schwer damit, die vielen Niederlagen zu erklären. Ingolstadt (2:1) war ein Ausreißer nach oben, wie sich am nächsten Spieltag zeigte, denn gegen Dresden (2:3) machten seine Spieler noch schlimmere Fehler als bei den drei Pleiten zum Saisonstart. Warum der Umbruch bei 1860 länger dauert als anderswo, ist auch dem Trainer ein Rätsel. Trotzdem führt er Daten ins Feld, die Hoffnung machen könnten: Die Laufleistung, die „auf einem ganz hohen Niveau“ sei (124 km), auch die „Expected Goals“ – in all diesen Disziplinen hätte sich sein Team nicht vor dem Tabellenführer verstecken müssen. „Für uns alle wäre es leichter, wenn es ,klick‘ machen würde“, sagt er: „Fußball ist ein Fehlerspiel, aber wir haben zu viele Aufs und Abs. Dennoch haben wir gegen Dresden zwei Tore erzielt – und abgesehen von zweieinhalb groben individuellen Patzern nicht viel zugelassen. Wir sehen uns nicht weit weg, um auch gegen sehr gute Gegner siegfähig zu sein.“

Theoretisch siegfähig sein, dürfte am Samstag allerdings nicht ausreichen. Selbst ein Punkt könnte für Giannikis zu wenig sein, um auch vier Tage später gegen Hannover II auf der Trainerbank zu sitzen. „Ich befasse mich nicht mit Negativszenarien, lieber stecke ich meine Energie in die Mannschaft“, blockt er dieses Thema ab. „Sicherlich ist die Tabellensituation nicht die, die wir uns wünschen, aber meine Kraft gilt komplett dem Prozess.“ Und das nächste Ziel bei diesem Prozess laute: „Stabilisieren, das Team entwickeln – und konstant punkten.“

Was das angeht, könnte der Gegner als Vorbild dienen. Die Arminia steckte bis Mai mit 1860 im Abstiegskampf, nun ist sie ein Spitzenteam – ohne den Trainer gewechselt zu haben. „Bielefeld hatte keinen kompletten Umbruch“, sagt Giannikis: „Man kann das nur bedingt vergleichen.“ Die Ruhe im Umfeld, die Kollege Mitch Kniat hat – die hätte er wohl trotzdem gerne.

Aufrufe: 020.9.2024, 07:31 Uhr
Uli KellnerAutor