Ein bisschen Klischee gehört dazu. Ein bisschen Untergrund muss sein: Ihre Nachnamen wollen Jonas und Jonny nicht nennen. Genauso ist ihr Beruf nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, wie sie finden. Sie wollen Anonymität wahren, weil das, was sie machen, dem Arbeitgeber nicht gefallen könnte. Und irgendwie, weil es dazu gehört, wenn man Ultra ist. Denn genau das sind der 22-Jährige und der 33-Jährige mehr oder weniger. Nicht im Profifußball, sondern in der Bayernliga. Beim Würzburger FV und der SpVgg Bayern Hof.
Die Nordstaffel der 5. Liga im Freistaat hat eine rege Fanschaft, was die Zuschauerzahlen bestätigen. Zuallererst ist in diesem Zusammenhang natürlich Aufsteiger Weiden zu nennen. 816 Eintrittskarten werden bei den Heimspielen am Wasserwerk durchschnittlich gelöst – Liga-Bestwert. Obwohl sich Hof und der WFV hinter den Oberpfälzern einreihen müssen, haben die beiden Traditionsvereine ein Alleinstellungsmerkmal, was den Anhang betrifft. Denn nirgendwo sonst in der Bayernliga Nord wird die Leidenschaft, die Leiden schafft, in der "Masse" so gelebt wie bei den Ober- und Unterfranken. Das bestätigen zahlreiche Vereinsvertreter auf Nachfrage.
"Unsere Fans sind die besten der Liga", macht Philipp Eckert, Trainer der Würzburger, eine klare Ansage. Seit gut einem Jahr hat der 35-Jährige das Sagen in der Zellerau. Zuvor war er Co-Trainer bei den Kickers und in Aue, 2. und 3. Liga. Eckart weiß also, wovon er spricht, wenn es um professionelle Unterstützung von den Rängen geht. Und für ihn ist der zwölfte Mann beim WFV Realität und ein unschätzbarer Vorteil. "Unsere Fans sind extrem wichtig und außergewöhnlich. Ihre bedingungslose Liebe ist etwas besonderes."
Jonas ist so einer, der mehr oder weniger sein Leben dem ehemaligen Zweitligisten verschrieben hat. Er ist "Mitglied auf der Führungsebene" der "Laternos `82" und Trommler bei so ziemlich jedem Spiel von Kreutschneider, Istrefi & Co.. Der Name des offiziellen WFV-Fanclubs setzt sich zusammen aus der Postleitzahl-Endung der Zellerau und der Begebenheit, "dass wir immer eine Laterne in unserem Block stehen haben". Eine "mittlere zweistellige" Zahl an Mitglieder zählt die Organisation. Mehr möchte der 22-Jährige nicht verraten.
Er schafft es, alles irgendwie beiläufig klingen zu lassen. Oder geheimnisvoll, wobei wir wieder bei den Ultra-Klischees wären. Aber als solcher würde sich Jonas nur bedingt beschreiben. "Wir sind Ultra-orientiert, ja. Wir versuchen, alles für den Verein zu geben", führt er aus. "Es kann auch etwas rauer zugehen. Aber die großen Klopfer sind wir nicht. Und Gewalt kommt für uns sowieso nicht in Frage." Die Laternos '82 verstehen sich auch nicht als Opposition der Funktionärsebene der Unterfranken, wie es bei Hardliner-Gruppierungen im Profibereich oft der Fall ist.
"Es ist ein Miteinander", verdeutlicht der 22-Jährige. Man kenne sich beim WFV über die verschiedenen Bereiche hinweg oft persönlich und seit Jahren. Mitglieder des Fanclubs sind beispielsweise Trainer mancher Nachwuchsmannschaft. "Klar haben wir nicht nur deshalb die ein oder andere Aktien, aber es ist jetzt nicht so, dass wir durch unsere laute Stimme enorme Macht hätten." Von möglichen Revolutionen von der Basis ausgehend kann also keine Rede sein beim Bayernligisten. Für derartige Kriegsschauplätze bliebe auch gar keine Zeit. Denn bis zu 130 Stunden sitzen Jonas und Mitstreiter schon mal für eine Choreographie zusammen – wie beispielsweise zum 120-jährigen Vereinsjubiläum im Sommer dieses Jahres.
Ähnlich wie die Sepp-Endres-Sportanlage ist auch die „Grüne Au“ in Hof ein Sehnsuchtsort für Fußballromantiker. Und der Lebensmittelpunkt zahlreicher Menschen, die man mit wohlwollendem Unterton als Extremisten bezeichnen kann. "Wir haben eine aktive Fanszene wie wohl kein anderer Bayernligist", ist Thomas Popp, Sportchef der Oberfranken, angetan. Er sieht die große Unterstützung ausschließlich positiv, auch wenn von den Rängen mal negative Stimmung kommt wie rund um den Abschied von Trainer Mikheil Sajaia geschehen. "Man hört Volkes Stimme", wiederholt der Sportliche Leiter noch einmal Worte, die er auch seinerzeit verwendet hat. "Man kennt sich untereinander und trifft sich regelmäßig. Ich weiß auch, dass unsere Holztribüne die längste Trainerbank der Welt ist. Aber die Entscheidungen treffen die, die dafür da sind."
Die organisierten Zuschauer der SpVgg Bayern Hof – mit „Britannia“ und „Commando Furioso“ gibt es sogar zwei Bündnisse – wissen das, und akzeptieren es. "Natürlich geben wir unsere Meinung lautstark preis", betont Mario Schaller, „Capo“ von Britannia. Er hat kein Problem damit, seine komplette Identität zu verraten. Sein Zusammenschluss, dessen Namen auf eine alte Bezeichnung des Vereins zurückgeht, wurde im Juli 2022 aus der Taufe gehoben und hat knapp 40 Mitglieder. "Aber wir sind kein Entscheidungskremium", weiß er. Schaller berichtet vielmehr davon, dass vieles in Kooperation mit der Vereinsführung geschehen würde.
Britannia betreut beispielsweise den Fanshop, organisiert den Getränkeverkauf im Fanblock, macht die Stadionzeitung und bestückt in Zusammenarbeit mit Commando Furioso die offiziellen Social-Media-Kanäle der SpVgg Bayern Hof. Alles in allem ist dieser Fanclub eher im Hintergrund aktiv. Es zählt das Ergebnis. Nicht mehr, und nicht weniger. "Für uns ist der Verein alles, er bestimmt die gesamte Freizeitgestaltung. Deshalb sind wir unglaublich stolz auf das, was wir machen."
Die extrovertierten Hofer Fans sind eher im Commando Furioso, gegründet im Jahr 2016, heimisch. Capo Jonny ist im sozialen Bereich tätig. Er hat nicht nur deshalb das Große und Ganze im Blick und ist aus diesem Grund der ideale Chef dieser Gruppierung. "Unsere Vorbilder sind die Fans der Bayern und des Club, die Choreos für ihre jüdischen Ursprünge gemacht haben." Freilich, der 33-Jährige und seine Kollegen sind laut, manchmal vielleicht sogar derb, durchwegs auffallend. Aber sie blicken über den Tellerrand hinaus.
"Wir sind als Szene gemeinsam unterwegs", berichtet er. "Wir malen Fahnen, wir nehmen indirekt Einfluss auf das Spiel. Wir sind Ultra-orientiert, haben beispielsweise auch eine Kindergruppe." So war die Gestaltung der Choreographie "Sommer of 69", die an die Teilnahme der Oberfranken am Alpencup 1969 erinnerte, in diesem Jahr eine Gemeinschaftsaktion – unter Federführung der Jonny, der "drei Wochen jede Nacht" daran gearbeitet hat. Ist da etwas Übertreibung dabei? Wäre kein Problem! Ein bisschen Klischee gehört dazu, wenn man Bayernliga-Ultra ist...